Bis in die Morgenstunden hätte Conchita Wurst Interviews geben können. Nach der Pressekonferenz der Finalisten drängelte sich weit nach Mitternacht noch immer ein Pulk an Journalisten um die schillernde Kunstfigur, während die Konkurrenz längst in die Hotels entlassen worden war. An den Schweizer Sebalter etwa war keine einzige Frage gestellt worden. Internationale Medien titeln mittlerweile "die Königin von Österreich", manche gar "die Kaiserin".

Bei den Buchmachern wird sie nach ihrem fulminanten Auftritt am Donnerstag nun auf dem Stockerl gehandelt - neben Schweden und Norwegen, wobei eher die Geheimfavoriten Niederlande (entspannter Countrypop) und auch der Ungar (über Kindesmissbrauch) gefährlich werden könnten. Nicht unterschätzen darf man die Spanierin Ruth Lorenzo mit ihrer großen Ballade.

Würde Conchita auf Platz vier landen, wäre das schon das beste Ergebnis für Österreich seit Udo Jürgens. Zu 50 Prozent entscheidet das TV-Publikum, zu 50 Prozent eine fünfköpfige Fachjury in jedem Land. Die 25-Jährige bleibt trotz des Rummels und der Wettbüros jedenfalls beachtlich ruhig. Geweint hat sie vor Freude im Backstage-Bereich, ihre Visagistin Tamara Mascara "musste mich mehrmals restaurieren".

Sie lässt sich jedoch nicht wahnsinnig machen und "zickte" bisher keine Sekunde, wie man das von einer Diva ja erwarten könnte. "Ich rechne mit gar nichts. Alles, was jetzt kommt, ist nur noch Zugabe. Mein Traum ist wahr geworden. Wie ich mich auf der Bühne fühlte, ist einfach unbeschreiblich. Es kam mir so eine Welle der Sympathie entgegen, dass ich aufpassen musste, nicht umzufallen", lächelte sie.

"Fauler Tom"

Geändert wird für das Finale nichts: Kostüm, Choreografie, Lichteffekte und die animierten Feuerflügel des Phönix im Hintergrund bleiben ident. Großes Kino im Stil von James Bond und Shirley Bassey. Ist der Sieg möglich? "Er ist dann greifbar, wenn ich die Trophäe in den Händen halte", gibt sich Conchita bescheiden. Eine Russin will von ihr wissen, ob sie sich als Gewinnerin zur echten Frau umoperieren lassen würde. "Nein! Ich will doch nicht immer eine Frau sein, zu Hause bin ich der faule Tom und werfe die Perücke in die Ecke." Und weiß in dem Moment: "Meine Botschaft der Toleranz, niemanden zu kategorisieren, kam noch nicht überall an. Da liegen noch einige Stufen vor uns!"

Die Quote verdeutlicht jedenfalls das Publikumsinteresse: Nach durchschnittlich 822.000 Zuschauern beim Halbfinale darf sich der ORF heute einen Millionenwert erhoffen.