Schön ist es, das Hotel. Alles inklusive. Nicht zu sprechen von der protzigen Villa, in der Sarah (Performancestar Florentina Holzinger) kurz darauf ihre Stelle antritt. Als ehemalige Martial-Arts-Kämpferin, die im Käfig ihren Kampfgeist verloren hat, muss sie nun anders über die Runden kommen. Ein Job bei einer reichen Familie in Jordanien, deren drei Töchter sie in den Kampfkünsten unterrichten soll, kommt da gerade recht.

Doch was nach einem Monat Urlaub klingt, könnte ferner nicht sein. Der Mittlere Osten ist eine andere Welt als Sarahs europäische Sozialisierung. Diesen Clash der Kulturen hat Regisseurin Kurdwin Ayub schon in ihrem Debüt „Sonne“ thematisiert. Dort eigneten sich Wiener Freundinnen die kulturellen Codes und Debatten der Kurden an. Mit ihrem Folgefilm „Mond“, der am Sonntag Weltpremiere im Wettbewerb des Filmfestivals Locarno hatte, wechselt Ayub die Perspektive. Sie macht die Österreicherin zur Minderheit und zur Identifikationsfigur in einer Welt, in der die Probleme von Frauen andere Dimensionen annehmen.

Der Choreografin und Performerin Florentina Holzinger gelingt mit ihrem Schauspieldebüt und ihrer geerdeten, natürlichen Spielweise, die Verlorenheit Sarahs mit der notwendigen Komplexität auf die Leinwand zu bannen. Ihr Selbstmitleid und Dahinvegetieren wird durch die Bekanntschaft mit den Mädchen jedoch jäh unterbrochen. Nour (Andria Tayeh) und ihre Schwestern Shaima und Fatima wirken wenig motiviert für Martial Arts. Statt Training verdonnern sie Sarah dazu, mit ihnen Seifenopern zu schauen oder sie auf Trips durch das Einkaufszentrum zu begleiten. Ebenso bizarr die Hausregeln: kein Internet, keine Fotos, bloß nicht in den ersten Stock in die Zimmer. Zunächst hinterfragt Sarah, noch von ihren eigenen Dämonen gejagt, das Prozedere nicht.

Doch die zahlreichen Ungereimtheiten und der Tratsch über die Familie an der Hotelbar lassen sie bald stutzig werden. Ayub spielt gekonnt mit der Idee eines weißen Retters und der Frage, ob Sarah den Mädchen in ihrem goldenen Käfig helfen kann und will. Als Zuschauerin wird man gefordert, zu überlegen, wie man selbst in dieser Situation reagieren würde. Hier werden keine einfachen Antworten geboten.

Die eine mag aus dem Westen kommen und sich nach einem „Käfig“ sehnen, der ihr nach dem Karriereende wieder Sinn gibt. Die andere möchte aus ihrem ausbrechen, und sich in eine ungewisse Freiheit stürzen. Wie schon in „Sonne“ geht es nicht um eine romantisierte Heldinnengeschichte. „Mond“ erinnert an universelle Bestrebungen wie weibliche Solidarität.

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