Die Wendung kommt überraschend, angesichts des fortgesetzten Chaos in der konservativen Regierung des britischen Premierministers Rishi Sunak aber womöglich auch nicht übermäßig: Die streitbare Tory-Innenministerin Suella Braverman muss nach ihrer offenen Kritik am angeblich sehr selektiven Blick der Metropolitan Police bei Demonstrationen den Hut nehmen – dafür wird Ex-PM David Cameron neuer Tory-Außenminister. Dieser hatte Berichten zufolge bereits seit Jahren mit einem Comeback geliebäugelt, nun wird er mit einem neuralgischen Ministeramt in Sunaks Kabinett betraut. An Bravermans Stelle tritt dafür der bisherige Außenminister James Cleverly.
Kalkül oder fortgesetztes Chaos?
Sunaks Kalkül hinter der Bestellung des als Brexit-Premier in die Geschichte Großbritanniens eingegangenen Cameron scheint relativ klar zu sein: Die gemäßigten Konservativen dürften die Entscheidung goutieren. Sie waren über Bravermans aggressive rechte Rhetorik zu Themen wie Migration oder Obdachlosigkeit bestürzt. Auf der anderen Seite – am rechten Flügel der in Umfrage anhaltend mauen Tories – könnte die Personalie Cameron allerdings missfallen: Er war es zwar, der das Brexit-Referendum einst ansetzte, allerdings plädierte er selbst (erfolglos) für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU.
Insgesamt scheint die Entscheidung, den 2016 endgültig gescheiterten Premierminister als Außenminister zurückzubringen, nicht schlüssig. Die Opposition schäumt ohnehin: „Vor einigen Wochen noch sagte Sunak, Cameron sei Teil eines gescheiterten Status quo, jetzt holt er ihn als sein Rettungsfloß zurück“, schüttelte Pat McFadden, Abgeordneter und nationaler Kampagnenkoordinator der Labour-Partei, laut den Kopf. Der von Sunak propagierte „Wandel“, den auch Cameron einst bemühte, scheint sich nach insgesamt 13 Jahren Tory-Regentschaft jedenfalls nicht abzuzeichnen.
Am Ende müht sich Sunak um Wählergunst: Für 2024 stehen in Großbritannien Parlamentswahlen an, in aktuellen Umfragen führte zuletzt die Labour-Opposition unter Keir Starmer bereits rund 20 Prozentpunkte vor Sunaks Konservativen. Ein besonders heißes Eisen ist das Thema Migration: Die umstrittenen Pläne der britischen Regierung, vor allem illegal ins Land gelangte Asylsuchende in das ostafrikanische Ruanda zu bringen, sind bislang nicht umgesetzt. Seit Oktober befasst sich nun das Oberste Gericht in London mit den Asylplänen – morgen soll Sunaks Kabinett erfahren, ob ihr Plan rechtmäßig ist.
Für ihn steht viel auf dem Spiel: Sollte die Entscheidung gegen die Regierung ausfallen, wird der Druck seitens des rechten Parteiflügels enorm werden.