In der Versicherungsbranche sind wegen stark gestiegener Kosten die nächsten Preiserhöhungen in Sicht. Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re will bei den anstehenden Preisverhandlungen mit den Erstversicherern die Inflation als „wesentlichen Faktor“ berücksichtigen, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Ein zweiter Preistreiber sind demnach Naturkatastrophen.
Für die gesamte Versicherungsbranche unerfreulich ist die Inflation in der Kfz-Versicherung. Nach einer im Sommer veröffentlichten Schätzung des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft werden die Ausgaben der Unternehmen für Autoreparaturen und sonstige Schäden in diesem Jahr voraussichtlich etwa 2,5 Milliarden Euro höher sein als die Einnahmen. Neben der allgemeinen Inflation müssten Erst- und Rückversicherer auch „segmentspezifische Inflationsfaktoren“ wie etwa höhere Preise für Ersatzteile berücksichtigen, deutete die Munich Re die zu erwartenden Preissteigerungen an.
Indirekt kommen Erhöhungen bei Verbrauchern an
Erstversicherer wie die Allianz oder die Generali schließen ihrerseits Versicherungen ab, um für unerwartet hohe Schäden gewappnet zu sein. Dieses Geschäft übernehmen die Munich Re und andere Rückversicherer. Preiserhöhungen im Rückversicherungsgeschäft bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher also nicht direkt zu spüren, doch sind die Erstversicherer naturgemäß bestrebt, höhere Kosten an die Kunden weiterzugeben.
In diesem Jahr hat es in Europa nach Zählung der Munich Re mindestens sieben Naturkatastrophen mit versicherten Schäden von jeweils mehr als einer Milliarde Euro gegeben. „Auf globaler Ebene sehen wir in der vergangenen Dekade einen klaren Trend zu steigenden Schäden aus wetterbedingten Ereignissen“, sagte die für Europa zuständige Vorständin Clarisse Kopff. „Das gilt nicht nur für die Zahl, sondern auch für die Schwere der einzelnen Naturkatastrophen.“
Es gebe aber nicht nur einen Anstieg bei großen Naturgefahren wie Hurrikans, sondern auch bei den sogenannten Sekundärgefahren, also Gewitter, Überschwemmungen und Waldbrände, sagte die Managerin. „Der Trend beschleunigt sich noch.“
Auch Streiks und Unruhen werden zu Risiken
Potenziell sehr teuer können demnach auch die Folgen politischer und wirtschaftlicher Unzufriedenheit werden. „Zusätzlich zu den geopolitischen Konflikten sehen wir ein höheres Maß an gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, also Streiks, Krawalle, und innere Unruhen“, sagte Kopff.
In der Vergangenheit seien diese Ereignisse bei steigender Frequenz eher lokal begrenzt gewesen. „Jüngste Ereignisse haben jedoch gezeigt, dass sie auch ganze Regionen treffen können“, sagte die Managerin mit Blick auf die Ausschreitungen des Sommers in Frankreich. „In dieser Entwicklung müssen wir vor allem darauf achten, dass daraus keine Kumulrisiken entstehen.“
Mit „Kumulrisiken“ sind in der Versicherungswirtschaft Schäden gemeint, die viele Kunden gleichzeitig treffen und deshalb sehr teuer werden können: Ein hypothetisches Beispiel wäre eine große Cyberattacke, die großflächig Unternehmen zum Stillstand bringt.
Versicherungen rechnen vermehrt mit Cyberangriffen
Da die Welle der Hackerangriffe nicht abebbt, rechnet die Munich Re mit weiterem raschen Wachstum im Geschäft mit Cyberversicherungen. „Wir schätzen den europäischen Cybermarkt auf ein Volumen von 2,3 Milliarden US-Dollar für 2022. Bis 2027 erwarten wir ein Marktvolumen von rund 8 Milliarden“, sagte Deutschland-Chefin Claudia Hasse.
„Nach unserer Einschätzung sind die meisten Risiken versicherbar“, betonte Hasse. Doch übergroße - beziehungsweise unbezahlbare - Risiken will der Münchner Konzern dabei nicht eingehen: „Nicht versicherbar sind der Ausfall kritischer Infrastruktur, beispielsweise ein Ausfall des Internet, und Cyberkrieg.“
Krieg - auch Cyberkrieg - sei schon heute aus jeder Deckung ausgeschlossen. Die Munich Re will das aber nicht nur in ihren eigenen Verträgen deutlicher ausschließen als bisher: „Allerdings wollen wir durch neuformulierte Ausschlüsse noch besser auf die Besonderheiten eines Cyberkriegs eingehen“, sagte Hasse. „Deshalb unterstützen wir die Erstversicherer dabei, ihre Versicherungsbedingungen anzupassen.“