Seit vergangenem Mai sitzt ein 16-jähriger Bursche in Wien in U-Haft, nachdem er seine jüngere Schwester spitalsreif geprügelt hatte. Wie sich im Zuge der Ermittlungen herausstellte, dürfte der aus Afghanistan stammende Jugendliche die 15-Jährige seit Mitte November 2022 mehrmals monatlich misshandelt haben, wenn sie ihm nicht gehorchte und seinen Wünschen nicht entsprach. Auch gegen seine jüngeren Brüder im Alter von elf und 13 Jahren soll er handgreiflich geworden sein.

Der gravierendste Vorwurf betrifft die letzte Attacke auf die Schwester, zu der es Ende Mai kam, nachdem diese sich geweigert haben soll, ihm einen Tee zuzubereiten. Er soll ihr darauf mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzt haben - die 15-Jährige erlitt einen verschobenen Nasenbeinbruch und musste mehrere Tage in einem Spital stationär versorgt werden. Die Staatsanwaltschaft Wien wertet das in einer beim Landesgericht eingebrachten Anklage als absichtliche schwere Körperverletzung. Weiters wird dem Burschen fortgesetzte Gewaltausübung gegenüber seiner gesamten Familie angekreidet, dazu kommen mehrfache schwere Nötigung und gefährliche Drohung. Auch von schwerer Erpressung ist in der Anklage die Rede: demnach verlangte der 16-Jährige von seiner Mutter mindestens zehn Mal Geld, um sich Drogen kaufen zu können, indem er drohte, er werde ansonsten seine jüngeren Geschwister verprügeln. Die Frau bezahlte aus Furcht vor weiteren gewalttätigen Übergriffen ihren drittjüngsten Sohn - zwei ältere Söhne leben nicht mehr im gemeinsamen Haushalt.

Bruder ist integriert

Der 16-Jährige lebt seit rund zwei Jahren in Österreich. Sein ältester Bruder, der seit vielen Jahren legal hier lebt und bestens integriert ist, hatte ihn im Zug einer Familienzusammenführung nach der Machtübernahme der Taliban nach Wien geholt. Der Bursch dürfte sich seither nicht eingelebt und mit der Anpassung an westliche Moral - und Wertvorstellungen schwer getan haben. Speziell sein Frauenbild dürfte aus der Zeit gefallen sein. Vermutlich hatte der Bursch in Afghanistan selbst schwere Gewalt erlebt - sein Vater wurde getötet - und am eigenen Leib erfahren haben: dem Vernehmen nach wurde er von den Taliban verschleppt und misshandelt, ihm sollen sogar Knochen gebrochen worden sein.

Dass der Jugendliche seit mehr als vier Monaten in U-Haft sitzt, begründet die Justiz mit Tatbegehungsgefahr. Die gegen ihn am Landesgericht eingebrachte Anklage ist rechtskräftig, am kommenden Dienstag muss er sich vor einem Schöffensenat verantworten. Bei einer anklagekonformen Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.