Alles begann an einem Montag im April 1977. "Da Röhrl kummt,“ knurrte mein damaliger Zimmerkollege in der Sportredaktion. Was, DER Röhrl? Ich war zu diesem Zeitpunkt zwar nicht unbedingt der Rallye-Experte, doch die Tatsache, dass sich der deutsche Shootingstar in meiner Heimatstadt Weiz zum Training für eine bevorstehende internationale Rallye angekündigt hatte, bewog mich dazu, am darauffolgenden Wochenende das Gasthaus Ederer aufzusuchen, wo der Meister gerade seine Frittatensuppe löffelte. Ich wartete einen günstigen Moment ab, stellte mich bei Tisch höflich vor, Röhrl legte den Kopf etwas schief und sagte bloß: "Hock di her da.“

Weil die Zeit drängte, schlug Röhrl einen Treffpunkt tags darauf vor, nahe Neustift im oststeirischen Obermayerhofen, dort sei eine Sonderprüfung, die er sich nochmals anschauen wollte. Und wenn ich Lust hätte, dann könne er mich auch ein Stück mitnehmen. Ich war pünktlich, Röhrl mit dem Porsche 911 auch. Sein Beifahrer schnallte mich auf den Beifahrersitz und Sekunden später verendete meine vorbereitete erste Frage bei der Einfahrt in ein enges, von massiven Eichen flankiertes Waldstück. Dann folgte ein ungefähr zehn Minuten langer Stummfilm, und als mich danach Röhrls Mechaniker aus dem Porsche klaubten, war ich mir sicher, dass dieser Mann entweder lebensmüde, völlig durchgeknallt oder ein Genie sein musste.

Nach einer kurzen Stabilisierungsphase verfügte ich mich jedenfalls zurück in die Redaktionsstube nach Graz, entschied mich für die Definition Genie und schrieb für die Kleine Zeitung meine erste Röhrl-Story. Titel: „Ein Ritt auf der Kanonenkugel“. Eine Woche später gewann Röhrl die Rallye mit Rekordvorsprung. Wir trafen uns noch bei der Siegerehrung und vereinbarten, in Kontakt zu bleiben. Was wenig später bei einer Rallye in den Dolomiten auch passierte, wo ihm Fiat spontan ein Werksauto angeboten hatte und Röhrl mit einer Glanzvorstellung auch den Grundstein für seine unvergleichliche Karriere schuf.

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Noch im Dezember 1977 war uns dann der Coup gelungen. Röhrl ließ sich von uns für ein Projekt breitschlagen, das sich Autoperfektionskurs nannte und unseren Lesern die Möglichkeit bot, ihr Fahrkönnen bei winterlichen Verhältnissen unter Aufsicht von Rennfahrern zu verbessern. Um es kurz zu machen: Der Schleuderkurs am ehemaligen Österreichring mit Röhrl als Galionsfigur wurde zu einem Riesenerfolg, mit dem Resultat, dass wir der irren Nachfrage wegen nach zehn Jahren die Reißleine ziehen mussten.

Davor hatten wir mit Röhrl aber bereits eine weitere Zusammenarbeit beschlossen, die sich als Glücksfall für die Kleine Zeitung erweisen sollte. Gerade erst zum zweiten Mal Weltmeister geworden (1982 mit Opel), gipfelte seine Sympathie und Verbundenheit mit unserem Blatt in einer Kooperation, um die wir im deutschsprachigen Raum bis heute beneidet werden.

So testet Röhrl für uns seit nunmehr 35 Jahren die neuesten Modelle, kommentiert und kritisiert Entwicklungen und hat uns als Mentor der Motorredaktion so manche Tür geöffnet. Unantastbar in seiner Kompetenz sind es seine Autorität und Glaubwürdigkeit, die uns Glanz und Ansehen verleihen. In seiner Rolle als Cheftester hat Röhrl für uns bis heute über 800 neue Fahrzeuge aller Kategorien unter die Lupe genommen. Ein Highlight dabei, auch für ihn, war sicherlich vor drei Jahren die Begegnung mit dem ersten autonom fahrenden Audi. Die Ingolstädter hatten Röhrl exklusiv in den Prototyp gebeten: Für uns war er bereit, zum ersten Mal in seinem Leben das Lenkrad aus der Hand zu geben.

Was uns an Röhrl bis heute fasziniert, ist seine ungebrochene Popularität. Als Ausnahmekönner und Lichtfigur des Rallyesports hat sich der Bayer eine Strahlkraft erhalten, die nur mit jener von Niki Lauda zu vergleichen ist. Genießt er in der Szene Heldenverehrung, ziehen auch die ganz Großen der Automobilbranche den Hut vor ihm. Ferdinand Piëch ernannte ihn zu seinem Lieblingsrennfahrer, Niki Lauda bezeichnete ihn stets als Genie auf Rädern, Gerhard Berger verglich ihn mit Ayrton Senna, und für Sebastian Vettel war er das Idol seiner Jugend: ,,Ich habe mir Röhrl immer auf Youtube angesehen und wollte immer so fahren können wie er.“

Was ihn zudem so außergewöhnlich macht und zur Legendenbildung beiträgt: Als Werks- und Testfahrer von Porsche hat Röhrl den Speed bis heute konserviert. Gut zwei Jahrzehnte lang galt der zweifache Rallye-Weltmeister, der auch auf der Rundstrecke sagenhaft schnell war, als der ungekrönte König der Nordschleife. Und auch auf der Porsche-Teststrecke in Weissach, wo demnächst eine Kurve nach ihm benannt wird, hielt er bis vor Kurzem noch alle Rekorde.

Jetzt, mit 70, will Röhrl doch etwas vom Gaspedal gehen. Aus Selbstschutz hat er für heuer keine Rennlizenz gelöst und will sich auch nicht mehr an den gefährlichen Rekordjagden beteiligen. Sein Kalender ist heuer dennoch schon ausgefüllt: Repräsentationstermine und Testfahrten für Porsche, Autogrammstunden, Messeauftritte, Talkshows, Vorträge, Oldtimer-Events. Und natürlich den Test-Terminen für die Kleine Zeitung.