In Baden Württemberg übt man schon für die großen Festivitäten im Jubeljahr. Schließlich will man zeigen, dass im Schwabenland nicht nur das Auto, sondern auch das Rad seinen Ursprung hatte. In Mannheim läuft bereits seit November die erste Ausstellung dazu. Dutzende Veranstaltungen und Aktionen sind in Vorbereitung. Ein Höhepunkt im kommenden Sommer wird eine Jubiläumstour sein – als nachhaltigste Roadshow der Welt.
Alles zu Ehren von Karl Freiherr von Drais, der als Erfinder des Zweirads gilt. Die Idee kam dem Tüftler, als die Ernteausfälle in den Jahren 1816 und 1817 zu Hungersnöten führten, die Haferpreise deshalb in die Höhe schnalzten und das bis zu diesem Zeitpunkt bevorzugte Transportmittel – das Pferd – zum Luxusgut wurde. Also musste eine Alternative her.
Der badische Forstmeister, 1785 in Karlsruhe geboren, fertigte in Mannheim eine hölzerne ,,Laufmaschine“. Später auch Draisine genannt, gab es keine Pedale, der Lenker musste sich vom Boden abstoßen. Die erste größere Ausfahrt mit der 22 Kilogramm schweren Laufmaschine unternahm Drais am 12. Juni 1817. Für die 12,8-Kilometer-Fahrt auf einer flachen Strecke bei Mannheim benötigte er nicht ganz eine Stunde. Die Laufmaschine zeigte sich damit Postkutschen weit überlegen.
Ein Jahr später erhielt Drais dafür das Patentrecht, doch bei der Kundschaft kam die klobige Erfindung nicht an. Das hölzerne Laufrad war zu teuer und floppte. Mit der Zeit gerieten Drais und seine Draisine in Vergessenheit. Erst mehr als fünf Jahrzehnte später knüpfte der Pariser Wagenbauer Pierre Michaux mit seinem Velociped an die Grundidee von Drais an. Der Franzose erfand den Antrieb, der mittels Tretkurbel und Pedalen das größere Vorderrad in Bewegung setzte. Dieses Prinzip ließ von 1885 die Zeit der gefährlichen Hochräder anbrechen.
Der Durchbruch als massentaugliches Fortbewegungsmittel gelang erst mit der Erfindung des Niederrad- und Sicherheitsrads gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Mit dem trapezförmigen Diamantrahmen als Markenzeichen war das Fahrrad in seiner gültigen Form erfunden. Wesentlich zum Erfolg trug freilich auch die Erfindung des pneumatischen Reifens bei, der sich rasant durchsetzte.
In dieser Zeit starten die ersten Firmen die Massenproduktion. Viele davon, wie die Rover Bicycle Company, Skoda, Morris, Peugeot oder Opel, stiegen später auf die Fertigung von Automobilen um. Sie kopierten Fließbandtechniken und Herstellungsverfahren und schauten sich auch die Werbestrategien der Fahrradbranche ab. Fakt ist: Ohne das Fahrrad hätte das Automobil nicht erfunden werden können.
Und heute? Während das Automobil gerade in der größten Krise seit seiner Erfindung steckt und sich mehr oder weniger neu erfinden muss, ist bei dem vor Jahren losgetretenen weltweiten Fahrradboom kein Ende in Sicht. Aus dem Gesundheitstrend hat sich um den Drahtesel längst eine Lifestyle-Kultur entwickelt, die vor allem im urbanen Bereich gelebt wird und für eine Mobilitätswende in Metropolen wie New York sorgt. Auch in Österreich setzt sich der Boom ungebremst fort, der Handel feiert Rekordumsätze. Wobei die Post weiterhin bei den E-Bikes und Pedelecs abgeht. Jedes fünfte in Österreich verkaufte Fahrrad verfügt über eine elektrische Unterstützung. Tendenz steigend.
Gerhard Nöhrer