Kaum eine Woche vergeht, ohne dass derzeit ein Elektroauto-Start-up aus China aufhorchen lässt. Letzte Woche war es die neue Marke Next EV, die mit dem Supersportwagen Nio EP9 den Boden für massentaugliche Modell aufbereiten will. Gestern hat das Unternehmen Lucid Motors den Bau einer Fabrik in Arizona um 700 Millionen Dollar bestätigt, in der eine Elektrolimousine mit 480 Kilometern Reichweite gebaut werden soll – auch hier haben freilich chinesische Investoren die Finger im Spiel.
Und dann ist auch noch ein ganz neuer Name aufgetaucht: Die Firma WM Motor hat gleich eine ganze Palette an elektrischen Modellen gezeigt. WM Motor wurde von Freeman Shen, einem ehemaligen Vorstand von Geely gegründet, der maßgeblich an der Übernahme von Volvo durch den chinesischen Autobauer beteiligt war. Der Grundstein für für das Autowerk ist schon gelegt, bis 2018 will man liefern. Und liefern, das müssen die chinesischen Elektroauto-Start-ups alle erst einmal.
Aber die Welle der Stromer aus dem Reich der Mitte ist beeindruckend – und kommt nicht von ungefähr. China ist der weltweit größte Markt für E-Autos. In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 sind in der Volksrepublik rund 240.000 Elektrofahrzeuge und Kleinbusse verkauft worden. Das entspricht einem Drittel des Weltmarktes. Großstadt-Chinesen kaufen die Stromer jedoch nicht der Umwelt zuliebe – strenge Vorschriften lassen ihnen keine Alternative. Nummernschilder für Autos mit Benzinmotor werden in den größten Städten des Landes wegen der hohen Luftverschmutzung seit Jahren nur noch verlost. Die Chance, eine der begehrten Lizenzen zu ergattern, liegt bei weniger als fünf Prozent. Wer ein E-Auto kauft, ist von der Regel ausgenommen.
Die chinesische E-Revolution ist also politisch gewollt: Nach dem Entwurf für die umstrittene Quotenregelung der Regierung sollen schon 2018 acht Prozent der neu gebauten Autos eines Herstellers einen elektrischen Antrieb haben, 2019 dann zehn Prozent und 2020 sogar zwölf Prozent. Europäische Hersteller fürchten, dass sie von der Konkurrenz aus China abgehängt werden. „Aus meiner Sicht ist das eine Gefahr für Europa“, sagt VW-Markenchef Herbert Diess.
Und die Gefahr hat 2016 in Form von einigen hoffnungsvollen chinesischen Elektroauto-Start-ups Gestalt angenommen: Da wäre zum Beispiel LeEco. Dahinter steht Jia Yueting - 43 Jahre alt, mit IT und Telekommunikation groß geworden, heute als Milliardär in der Forbes-Liste notiert und Chef des Newcomers. Das Konzeptauto LeSee soll in einigen Jahren Teslas Verkaufsschlager Model S mit Hilfe des Partners Faraday Future auf dem US-Heimatmarkt das Wasser abgraben.
Der chinesische Hersteller Geely, seit 2010 Eigentümer von Volvo, bereitet offensichtlich eine globale Marktoffensive vor und hat nun sein erstes Modell präsentiert, das ab Ende 2018 auch in Europa auf den Markt kommen soll und technisch auf dem großen SUV der Schweden, dem XC90, basiert. Vom Lynk & Co 01 ist auch eine reine Elektroversion ist geplant.
Hinter der neuen Marke Next EV stehen der Internetunternehmer William Li aus Schanghai mit einer Reihe von finanzstarken chinesischen Investoren und ein profilierter westlicher Automanager: Zum Start wird der gerade präsentierte Supersportwagen EP9 als Imageträger dienen und die Bekanntheit der Marke pushen. Ab Ende 2017 will Next EV dann auch ein massentaugliches und leistbares Familien-Elektroauto bauen, das zunächst in China auf den Markt kommt. Aber dann auch bei uns.