Es ist eine Situation, in die man schon vor Corona nicht kommen wollte – und in Zeiten der Pandemie noch weniger. Man wird Zeuge eines Unfalls, ein Mensch ist verletzt, liegt regungslos auf der Straße. In Zeiten vor der Pandemie hätte man gar nicht darüber nachgedacht und der Person geholfen – aber jetzt hat jeder das Ansteckungsrisiko im Kopf. Muss man Erste Hilfe leisten, auch wenn man sich dadurch möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert?
Grundsätzlich gilt: „Durch die Corona-Pandemie ist die Pflicht verletzten Menschen Erste Hilfe zu leisten, nicht außer Kraft gesetzt“, sagt Matthias Nagler, Verkehrsexperte aus der Rechtsabteilung des ÖAMTC. Genauso hat man die Verpflichtung, den Unfallort abzusichern und je nach Schwere der Verletzung die Rettung unter 144 zu rufen.
Allerdings kennt das Gesetz auch den Begriff der Zumutbarkeit der Hilfeleistung: Und der bedeutet, dass man sich selbst nicht in Gefahr bringen muss, um anderen Menschen zu helfen. In diesem Fall eben die Gefahr einer Infektion, wenn man Erste Hilfe leistet. „Was im Hinblick auf das Coronavirus zumutbar ist, hängt zum Beispiel auch davon ab, ob man Angehöriger einer Risikogruppe ist und muss im Einzelfall beurteilt werden“, sagt Nagler.
Grundsätzliches wie das Rufen der Rettung, des Verbleibens am Unfallort bis sie eintrifft sowie andere Handlungen, die keine große Nähe erfordern, sind jedenfalls zumutbar. „Schaut man einfach weg und geht weiter, macht man sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar“, sagt Nagler.
So viel zur rechtlichen Lage, aber wie sieht das medizinische Prozedere in Zeiten der Pandemie aus? „Wer in die Situation kommt, einer fremden Person Erste Hilfe leisten zu müssen, von der man nicht weiß, ob sie möglicherweise ansteckend ist, der muss sich schützen“, sagt Mathias Amon vom Roten Kreuz.
Das bedeutet: Mund-Nasen-Schutz tragen und die Hände desinfizieren. Wer Einmalhandschuhe griffbereit hat, zieht sie an – sie sind in vielen Erste-Hilfe-Sets fürs Auto enthalten. Je nach Art und Schwere der Verletzung sollte auch das Unfallopfer eine Maske aufsetzen.
Ist die Person bewusstlos, ist einer der ersten Schritte die Kontrolle der Atembewegungen – dabei könnte man sich über die ausgeatmeten Aerosole einem Infektionsrisiko aussetzen. „Deshalb sollte man sich in Zeiten der Pandemie darauf beschränken, die Atemwege durch Neigen des Kopfes nach hinten bei gleichzeitigem Anheben des Kinns freizumachen und zu beobachten, ob sich der Brustkorb hebt oder senkt“, sagt Amon. Man sollte sich dem Gesicht des Betroffenen nicht nähern.
Erkennt man keine Lebenszeichen, rät der Profi zu folgendem Vorgehen: „Kennt man die Person und damit auch ihren Infektionsstatus nicht, sollte man auf eine Mund-zu-Mund-Beatmung verzichten und stattdessen eine Herzdruckmassage durchführen.“ Oder man verwendet einen Defibrillator, wenn ein Standort im öffentlichen Raum in der Nähe ist.