Karin Riess, Didi Hubmann, Roland Scharf

Seine Augen sind hellwach, der Blick wandert von Auto zu Auto. Das Porsche-Museum in Gmünd, dort wo die Geschichte begann, ist sein Werk: Helmut Pfeifhofer (80) hat es gegründet und eine erlesene 911er-/356er-Sammlung samt Traktoren und Devotionalien aufgelegt. Der gebürtige Kärntner hat sogar das Porsche-Konstrukteursbüro vor einer Kühlmaschinenfirma gerettet und restauriert, die Sportwagenmarke ist zu seiner Mission geworden. Als letzter Zeitzeuge der Gründerzeit.

Helmut  Pfeifhofer gründete in Gmünd das Museum.
Helmut Pfeifhofer gründete in Gmünd das Museum. © Oliver Wolf

Um zu verstehen, warum Porsche nach Gmünd kam, muss man sich in die Kriegsjahre des vorigen Jahrhunderts zoomen: In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 1944 gehen Bomben der alliierten Streitkräfte auf Stuttgart nieder. Sie treffen das Werksgelände der Firma Porsche in Zuffenhausen, zerstören Reparaturteile und lassen technische Zeichnungen und Akten in Rauch aufgehen. Daraufhin fordert Reichsminister Albert Speer Ferdinand Porsche auf, sein Konstruktionsbüro aus der Schusslinie nach Österreich zu verlegen. Seine Wahl fällt auf ein Ende der Welt: die kleine Ortschaft Karnerau im Kärntner Liesertal, wo er Gelände und Gebäude des Sägewerks „W. Meinecke Holzgroßindustrie Berlin-Gmünd“ kauft. Schon im November nimmt rund die Hälfte der inzwischen 588 Mitarbeiter ihre Arbeit in der verschlafenen, gut versteckten und vom Krieg unversehrten Gemeinde Gmünd wieder auf. Bald haben die Mitarbeiter einen treffenden Spitznamen für das provisorische Werk mit seinen vielen kleinen Standorten und Behelfswerkstätten: „Vereinigte Hüttenwerke“.

Porsche-Büste im Park in Gmünd
Porsche-Büste im Park in Gmünd © Oliver Wolf

Dabei, was aufs Reißbrett der Kons­trukteure kommt, kann man in harten Zeiten nicht wählerisch sein. Die Projekte tragen eine laufende Nummerierung unabhängig von der Art des Produkts. So verbirgt sich hinter dem Typ 285 eine Turbine für eine Wasserkraftanlage, 294 steht für einen Hydromotor, 312 und 313 bezeichnen Traktoren, die später von der schwäbischen Firma Allgaier nach dem „System Porsche“ gebaut werden sollten, 345 meint einen Mähfinger für den Einsatz in der Landwirtschaft. Die Nummer 360 trägt der allradgetriebene Sportwagen für den italienischen Automobilhersteller Cisitalia.

Sohn Christoph hat große Ausbaupläne und bewegt den 356er Nummer 20.
Sohn Christoph hat große Ausbaupläne und bewegt den 356er Nummer 20. © Oliver Wolf

Bis 1950 sollten in Gmünd 44 Coupés und acht Cabrios vom Typ 356 in Handarbeit gebaut werden. 35 davon existieren noch und eines ist an seinen Entstehungsort zurückgekehrt: Das Coupé mit der Fahrgestellnummer 356 0020 wechselte für die Summe von 28.000 Schilling vor mehr als 40 Jahren in den Besitz der Familie Pfeifhofer und ist bis heute ihr ganzer Stolz. Und zwar nicht, weil er heute ein Vermögen wert ist – ein Verkauf kommt ohnehin nicht infrage –, sondern weil er weitestgehend original ist. „Wir haben die handgedengelte Aluminiumkarosserie entlackt, aber mehr haben wir nicht angegriffen.“ Helmut Pfeifhofer hatte den Tipp zum Auto von einem Freund erhalten. Einer von vielen Spähern, die für ihn in ganz Österreich unterwegs waren und sich sofort meldeten, wenn sie ein Auto fanden. Der 0020 stand verlassen in einem Hinterhof ...

Im Gasthof Alte Post gibt es heute noch einen Porsche-Tisch – hier trafen sich die Väter des 356.
Im Gasthof Alte Post gibt es heute noch einen Porsche-Tisch – hier trafen sich die Väter des 356. © cc

Die Produktion in Gmünd lief nur zäh an. Mehr als fünf Fahrzeuge pro Woche gaben die technischen Möglichkeiten hier nicht her, also ließ Porsche das Dorf am Ende der Welt hinter sich. Die Werksgebäude und die Wohnhäuser der Konstrukteure sind lange abgerissen, die Villa, in der die Porsches lebten, gibt es nicht mehr. Auch die Viehwaage am Hauptplatz, auf der alle fertigen Autos gewogen wurden, wurde vom Zug der Zeit überrollt. Hier traf man sich anno dazumal nach den heute archaisch anmutenden Testfahrten, bei denen noch Fäden auf Autos aufgeklebt wurden, um einen Windkanaltest zu simulieren. Und der Katschberg galt mit seinen 30 Prozent Steigung als thermodynamischer Elchtest der frühen Tage der Autoentwicklung.

Einzig das ehemalige Konstruktionsgebäude zeugt noch heute von der Keimzelle der Marke. Es sieht aus, als wäre der Herr Professor gerade mit einem der Konstrukteure auf eine Probefahrt aufgebrochen. Oder auf ein Glas Rotwein im Gasthof „Alte Post“. „Wir haben versucht, das Büro nach den Erzählungen von Zeitzeugen wieder so herzurichten, wie es damals war“, sagt Pfeifhofer. In einer Ecke das Reißbrett, an der Wand die Liste der ersten Kunden, gegenüber ein Schreibtisch, in der Garderobe hängen Porsches Hut und Regenschirm.

Am 8. Mai 1982 eröffneten die Pfeifhofers das erste private Porsche-Automuseum Europas, nicht weit vom Konstruktionsbüro. „Als zehnjähriger Bub bin ich mit Söhnen der Porsche-Konstrukteure in die Schule gegangen“, erinnert sich Helmut Pfeifhofer. „Da wurde ich von der Begeisterung für Porsche erfasst.“ Sein Sohn Christoph hat das volley übernommen, er plant gerade Ausbau und Classic-Center. Denn längst hat man eine kritische Größe erreicht. In Gmünd musste man Teile von Häusern kaufen, um überhaupt alle Museums-Porsche unterzubringen.