In Deutschland wird seit Wochen eine gute Stimmung herbeigeschrieben. Das ist immer so vor der wichtigsten Leistungsschau der Schlüsselindustrie. Krisenszenarien sind beim Heimspiel der deutschen Autobauer nicht erwünscht: Vielmehr gilt es, Kauflust zu schüren. Sich vorzustellen, dass die Autobranche ernsthaft zu knicken beginnen könnte, mag sich in Deutschland niemand so recht vorstellen.
Bremsspuren
In der heilen Autowelt mehren sich indes die Bremsspuren. Der Gipfel scheint überschritten zu sein. Der Wandel schreitet voran. Die junge Generation, die nicht mehr am Auto hängt, wird bald zum Problem. Dazu funktionieren die Märkte nur bedingt: Europa ist ausgefischt, in Russland steht das Geschäft und im Schlaraffenland China stottert der Motor: Fatal für die westlichen Autobauer, die am Tropf der Chinesen hängen und dort die Milliarden verdienen, die für Digitalisierung und alternative Antriebe nötig sind. Fakt: Das alte Geschäftsmodell neigt sich dem Ende zu.
Die Autohersteller geraten immer stärker unter Druck. Kein Trend, keine Entwicklung, kein Bündnis darf in Tagen wie diesen versäumt werden, die Politik und die Emissionswächter aus Brüssel verschärfen die Gangart. Bis 2025 müssen zwischen 20 und 30 Prozent aller verkauften Fahrzeuge elektrisch oder teilelektrisch betrieben werden. Diese Vorgabe treibt jedem Konzernboss den Schweiß auf die Stirn.
Digitale Revolution
Die größte Herausforderung ist die digitale Vernetzung des Autos. „Unsere Branche und damit auch Volkswagen befinden sich mitten in einer digitalen Revolution“, sagt VW-Vorstandschef Martin Winterkorn. Dieses Thema rücken die Veranstalter der IAA („Mobilität verbindet“) auch in den Mittelpunkt der Messe. Erstmals wird es in Frankfurt mit der „New Mobility World“ eine eigene Ausstellungsfläche geben. Auf dem Gelände werden zudem die Möglichkeiten des automatisierten Fahrens gezeigt. Realistisch könnte bis 2030 der große Durchbruch geschafft sein. Interessant: Google und Samsung geben sich erstmals die Ehre. Die Digitalisierung hat neue, innovative Spieler auf den Plan gerufen, die Neueinsteiger aus dem Silicon Valley sind angriffslustig und zumeist kapitalstark. Noch ist nicht klar, ob sich Software-Giganten wie Apple tatsächlich an ein Auto wagen. Um der Bedrohung einer Abhängigkeit bei den Daten zu entgehen, haben BMW, Daimler und Audi kürzlich den Kartendienst Here von Nokia gekauft, für 2,8 Milliarden Euro.
Ein Kernthema von Frankfurt wird ebenso die Elektromobilität sein. Deutsche Hersteller wie Audi und Porsche reagieren endlich auf Tesla und kontern mit größeren Reichweiten. Noch verdient mit der E-Mobilität niemand Geld, schon gar nicht Tesla, doch nach Jahren der Stromaussetzer scheint die Branche geschlossen an die Dose zu gehen.
Neue Hochsitzer
Einen klaren Trend gibt es auch Richtung Plug-in-Hybrid, speziell bei den großen Geländewagen. Die SUV-Welle spült in Frankfurt eine Reihe von neuen Hochsitzern (VW Tiguan, Jaguar F-Pac, Bentley Bentayga) an das Licht der Öffentlichkeit. Die Flamme am emotionalen Lagerfeuer flackert noch.