Auf der Auto Show in Detroit im vergangenen Jänner ließ man ein letztes Mal die Korken knallen. Die Sause zum 100. Geburtstag wollte sich der amerikanische Automobil-Gigant nicht vermiesen lassen. So war die Hollywood-Party im Renaissance Center auch ein rauschendes Fest. Aber schon tags darauf, als General Motors wieder einmal verheerende Ergebnisse veröffentlichen musste, war schwere Katerstimmung angesagt.

Gewitterwolken. Zu diesem Zeitpunkt war der hoch verschuldete US-Riese mit 9,37 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr 2007 zwar immer noch der größte Automobilhersteller der Welt, doch stand die gläserne Konzernzentrale am Detroit River längst unter Wasser. Und weil am Horizont bereits die Gewitterwolken der Rezession auftauchten, war eigentlich klar, dass es bloß noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis das einst stolze Flaggschiff der Autoindustrie endgültig auf Grund laufen würde. Was jetzt offenbar der Fall ist. General Motors steht unmittelbar vor dem Bankrott. Die Aktie ist gerade einmal drei Dollar wert, der Börsenwert ist geringer als jener von Harley Davidson. Fakt ist: Wenn die Regierung in Washington das eingeforderte milliardenschwere Rettungspaket verweigert, wird GM den Winter nicht überleben. Und weil der Pleitegeier über ganz Detroit kreist, gilt das freilich auch für Ford und Chrysler.

Pleitegeier. Bei der Ikone des amerikanischen Wirtschaftswunders, die in den besten Tagen über 400.000 Mitarbeiter beschäftigte, gehen schon die Lichter aus: Manager dürfen nicht mehr fliegen, Dienstautos werden gestrichen, Marken verkauft, auch an ein Verscherbeln der Konzernzentrale wird gedacht. Zu Beginn dieser Woche bekam Golf-Superstar Tiger Woods den blauen Brief: Sein Sponsorvertrag, der ihm jährlich 5,5 Millionen Euro bescherte, wurde gekündigt.

Niedergang. Es ist ein beispielloser Niedergang des Traditionskonzerns, der in den 60er-Jahren weit mehr als die Hälfte des amerikanischen Automarktes kontrollierte und derartig dominant war, dass es in Washington sogar Überlegungen gab, General Motors wie einst die Standard Oil Company zu zerschlagen. Heute bringt es die marode Firma, die seit 70 Jahren die meisten Fahrzeuge pro Jahr produziert, zuhause nicht einmal mehr auf 20 Prozent.

Konkurrenz aus Japan. Der schleichende Niedergang hatte in den Siebzigern mit der Ölkrise und den steigenden Umweltauflagen den Anfang genommen, in den achtziger Jahren verstärkten sich die Probleme, als die Japaner amerikanischen Boden betraten. Sie bauten Autos, die in den Pannenstatistiken besser abschnitten, langsamer alterten, weniger Sprit verbrauchten und billiger waren.

Vergraulte Kundschaft. Dem global ausgerichteten Konzern, der zwischendurch bis zu 17 Marken unter einem Dach vereinte (heute sind es noch elf) und weltweit in 32 Ländern fertigen lässt, wurde zunehmend die schiere Größe zur Last: Der träge Koloss fiel technologisch immer weiter zurück, schlechte Qualität, unattraktive Modelle und ein bis zum Exzess betriebener Marken-Mischmasch vergraulten die Kundschaft, die trotz tollster Rabatte abwanderte.

Kosten. Der größte Klotz am Bein sind aber die gigantischen Pensionszusagen und die Gesundheitskosten für die 1,2 Millionen aktiven und ehemaligen Beschäftigten, für die das Unternehmen laut Tarifvereinbarung mit der Auto-Gewerkschaft aufkommen muss. Derzeit gehen pro Fahrzeug, das in den USA verkauft wird, knapp 2000 Dollar allein dafür drauf.

Konzernchef am Pranger. Im Sturzflug ist General Motors seit der Jahrtausendwende. Konzernchef Rick Wagoner, der seit 2005 mehr als 50 Milliarden Dollar verbrannte, steht am Pranger. Er hat nicht die Autos gebaut, die die Leute haben wollten, er verschlief die Trends, den Klimawechsel. Die Finanzkrise brachte das Flaggschiff endgültig zum kentern. Jetzt soll Obama helfen. Wenn nicht, ist der Weg in den rettenden Gläubigerschutz nach Kapitel elf ("Chapter 11") des US-Insolvenzrechts unausweichlich.