Was ist Ihre erste Erinnerung an Design?

Das ist eine Erinnerung an Handwerk. Meine Oma hat sehr viel und sehr gut gestickt und so haben wir immer, wenn ich bei ihr war, gemeinsam verschiedenste Muster in Servietten oder Tischtücher gestickt und ich durfte mal nach genauen Designvorgaben, mal auch ganz frei gestalten.

Wer ist Ursula Futura und wie haben Sie sie ins Leben gerufen? 

Ursula Futura ist unser Alter Ego. Eine Person, die sich traut, das zu tun, worauf sie Lust hat. Eine Person, die das Positive in Situationen sieht und immer wieder neue Wege entdeckt. Ursula Futura ist unser Designstudio und unsere Premium-Glaswarenmarke. Sie spielt mit der sich ständig verändernden Natur ihres Alter Egos – flüssig wie Glas. Ich habe sie ins Leben gerufen, um eine Person abseits von mir zu erschaffen – die vielleicht für jeden ein bisschen etwas anderes darstellt. Ich sehe zum Beispiel immer eine „Iris Apfel“ vor mir, vielleicht sieht jemand anderer aber etwas ganz anderes. Mir hat das am Anfang sehr geholfen, mich über Challenges drüberzutrauen, aus meiner Komfortzone rauszugehen und einfach zu machen. Ich habe mich dabei oft gefragt: Was würde Ursula tun? Und die Antwort war immer: Ursula würde einfach tun.

© Valentin Zelger

Was unterscheidet Kathrin Zelger von Ursula Futura?

Natürlich hat Ursula Futura für mich zumindest Ähnlichkeit mit mir – sie ist so etwas wie mein mutigstes Selbst. Aber sie ist ja eigentlich wie gesagt eine Metapher für das mutigste Selbst jedes Einzelnen.

Ihre Objekte sind inspiriert von Momenten des Staunens. Was hat Sie zuletzt in Staunen versetzt und in welchem Ihrer Designs werden wir dieses Erlebnis künftig wiederentdecken?

Ich staune wirklich sehr oft über etwas, aber das Staunen oder Wundern, von dem ich spreche, ist vielleicht mehr eine Art von Neugier für Dinge. Auch Dinge, für die ich manchmal länger brauche oder die ich noch immer nicht komplett verstanden habe, wie zum Beispiel die Quantenphysik. Die menschliche Wahrnehmung ist etwas, das mich ständig in Staunen versetzt. Wie das Baader-Meinhof-Phänomen – seitdem ich mit Glas arbeite, sehe ich überall ständig Glas. Ich finde unsere selektive Wahrnehmung total spannend. Und mit Wahrnehmung beschäftigen sich auch viele meiner Designs, etwa die neue Vasenserie. Diese beschäftigt sich mit Farbwahrnehmung.

Welche Rolle spielt Licht dabei?

Licht spielt bei Design natürlich immer eine Rolle, weil jedes Material, jede Oberfläche, jede Farbe Licht anders reflektiert. Bei Glas ist das noch einmal verstärkt, weil Glas auch Licht bricht bzw. reflektiert und man so eine Ebene dazubekommt. Licht ist etwas, das ich bei meinen Designs immer mitdenke.

Warum haben Sie sich gerade für das Material Glas entschieden?

Glas fasziniert mich. Es ist magisch mit seinen wasserähnlichen Eigenschaften, zuerst flüssig, dann fest, seiner Zerbrechlichkeit und zugleich Stärke. Und dann eben die Lichtbrechung. Ich mag das.

© Manavi Huber

Sie haben die Arbeit mit Glas einmal als „Tanz mit einem wilden Tier“ beschrieben. Drei Dinge, die notwendig sind, um dieses „wilde Tier“ zu bändigen?

Geduld – es klappt nicht immer beim ersten Mal. Loslassen – man kann bei Glas wirklich nicht alles kontrollieren. Gefühl – die Glasbläser, mit denen ich arbeite, spüren das Material. Wie eben bei einem Tanz.

Abseits von Glas – welche Materialien reizen Sie sonst noch?

Ich fühle mich auch sehr zu Metall und Stein hingezogen. Grundsätzlich finde ich alle Materialien interessant. Mir ist es nur wichtig, dass sie materialgetreu verwendet werden. Was ich nicht so gerne mag, sind Materialien, die so tun, als wären sie etwas anderes. Ich denke da zum Beispiel an Fliesen oder Laminat in Holzoptik oder Ähnliches. 

Von der Vision zum fertigen Objekt: Bitte erzählen Sie uns, wie Ihr Designprozess abläuft.

Bei mir gibt es meist zwei Arten, wie ich an Design herangehe. Die eine Methode ist theoretisch und konzeptionell. Mich begeistert etwas, das ich beobachte oder das ich wissen möchte – ein Gedanke steht am Anfang. Dann recherchiere ich zu dem Thema und versuche die Essenz dessen, was ich zeigen möchte, herauszufiltern. Dies passiert vor allem durch Experimentieren und mit Modellen. Ich bin nicht so der Sketchertyp. Aber manchmal überkommt es mich einfach, zum Beispiel während einer Autofahrt oder beim Laufen. Der Prozess ist jedenfalls nicht geradlinig. Die zweite Herangehensweise ist sehr impulsiv und passiert viel im Austausch mit den Glasbläsern. Ich sehe ihnen beim Arbeiten zu, dann kommt mir ein Gedanke für eine Technik und wir probieren sie gemeinsam aus.

Welches Ihrer Objekte hat Sie an die Grenzen der Umsetzbarkeit gebracht? Und welche Lösung haben Sie gefunden?

Zuletzt die neue Vasenserie, weil die meisten Glasmacher zuerst meinten, es sei unmöglich, dieses Loch in die Vasen zu schneiden. Oft geht es dann darum, den richtigen Partner für das jeweilige Projekt zu finden. In dem spezifischen Fall war die Lösung, sich zu trauen – es erfordert schon etwas Mut, in ein wunderschönes fertiges Stück ein Loch zu schneiden und dabei zu riskieren, dass es bricht. Ist es auch ein paar Mal, aber nach ein paar Versuchen haben wir jetzt den Dreh raus!

© Susanne Einzenberger

Woran denken Sie beim Entwerfen zuerst – Funktion oder Ästhetik?

Am Anfang steht immer die Idee bzw. die emotionale Funktionalität, damit geht dann oft die Ästhetik und Funktion einher. 

Welches Gefühl sollen Ihre Objekte bei Ihren Kunden auslösen?

Die Objekte sollen Optimismus in den Wohnraum bringen. Ich möchte, dass sich die Menschen glücklich fühlen. Das Leben soll voller Farbe sein. Ich versuche immer, durch meine Designs optische „Wundermomente“ zu schaffen und vielleicht Neugier zu wecken.

Sie haben eine Zeit lang als Kreativdirektorin einer Designagentur in Tel Aviv gearbeitet. Was haben Sie damals gelernt, auf das Sie heute noch zurückgreifen?

Ich habe so viel dort gelernt. Es war wirklich eine schöne Zeit. Mein größtes „Take-away“ war, dass es immer auch darum geht, ein Gefühl zu vermitteln. Bei Designinstallationen in Mailand zum Beispiel war es uns weniger wichtig, das Produkt perfekt in Szene zu setzen, sondern vielmehr ging es uns darum, welches Gefühl wir den Besuchern mitgeben wollen, das sie schließlich mit der Marke verbinden.

Welches Designpiece hat Sie zuletzt persönlich beeindruckt?

Eine Ausstellung, die mich zuletzt sehr beeindruckt hat, war Silence von Dimorestudio während der Milan Design Week. Man konnte durch Löcher in der Wand in Räume sehen. Und die Räume, die man vorfand, waren sowohl aus einer Designperspektive als auch szenografisch sehr stark. Gerüche, Musik – man hatte das Gefühl, als wäre in den Räumen kurz vorher etwas Dramatisches passiert und man konnte das Vorgefallene noch so richtig spüren, obwohl keine Personen im Raum waren.

Was war der beste Rat, den Ihnen Ihre innere Ursula bisher gegeben hat?

Das klingt jetzt wie der Nike-Slogan, aber: „Einfach machen“. Vor allem, meinen inneren Perfektionismus etwas einzubremsen – nichts ist perfekt.

Und was hält die Zukunft noch für Ursula Futura bereit?

Bei Ursula Futura gibt es keine Richtlinien, sondern einen sich ständig weiterentwickelnden Ausdruck von Identität, Fluidität und Spiel. Begonnen haben wir unsere Reise mit Glaswaren, doch unser offener kreativer Ansatz ist darauf ausgerichtet, in Zukunft auch neue Richtungen, Materialien, Inspirationen und Kooperationen zuzulassen. Die Zukunft wird spannend und hoffentlich voll von schönen Überraschungen.

© Susanne Einzenberger

Kathrin Zelger

Kathrin Zelger studiert zunächst Produktdesign an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, bevor sie in Tel Aviv als Kreativdirektorin für eine Designagentur Produkte und Markenidentitäten entwickelt und mit internationalen Designern Installationen, unter anderem bei der Mailänder Designwoche, realisiert. Fasziniert von Glas stellt Kathrin Zelger das Material mit den wasserähnlichen Eigenschaften in den Mittelpunkt ihrer Designpraxis und gründet 2021 das in Wien ansässige Designstudio Ursula Futura, dessen kreative und strategische Leitung sie innehat. Die besonderen Designobjekte der Premium-Glasmarke werden in einer Manufaktur in Tschechien produziert. 

Die Objekte sollen Optimismus in den Wohnraum bringen. Ich möchte, dass sich die Menschen glücklich fühlen. Das Leben soll voller Farbe sein.