Beschreibt euch doch bitte gegenseitig.

Simone: Martin ist Theatermacher, Autor, Philosoph und Künstler und einer der klügsten und belesendsten Menschen, die ich kenne. Sein Wissensdurst, was Gesellschaftspolitik angeht, ist unstillbar. Er hat einen unumstößlichen Gerechtigkeitssinn und stellt sich hinter Menschen wie ein Löwe. Er beobachtet genau, doch niemals von oben herab und würde sich nie über jemand anderen stellen, was ich unfassbar schön finde. Und: Er ist der beste Vater, den man sich für seine Kinder wünschen kann.

Martin: Ganz klar würde ich Simone als meinen Lebensmenschen bezeichnen. Ich bewundere ihre Art mit Menschen umzugehen, ihren offenen und weiten Blick, ihre unkomplizierten, herzlichen Zugänge und die Momente der Anarchie im Umgang mit all dem, was viele als gegeben ansehen. Und ich finde alles interessant was sie schafft, auch wenn mein Zugang oft ein völlig anderer ist. Wobei man dann wieder beim Punkt wäre, wie sehr Simone eine Erweiterung meiner begrenzten Wahrnehmung ist.

Beruflich gesehen. Wie definiert ihr euer Tun?

Simone: Ich bin Künstlerin mit großer Liebe zur Organisation und einem enormen Wissensdurst. Auf einer sehr ausführlichen Visitenkarte würde also stehen: Künstlerin, Projekt- und Kulturmanagerin, Kunstvermittlerin, Meditations- und Achtsamkeitslehrerin, Elternbildnerin. Zusammenfassend also: ich zeichne, male, gestalte, organisiere, veranstalte, vermittle, berate - meistens im Rahmen eines Projektauftrags. Und in allem schwingen meine großen Lebensthemen mit: Feminismus, Liebe zur Arbeit mit und für Kinder(n) und Eltern, Achtsamkeit, psychische Gesundheit, niederschwelliger Zugang zur Kunst.

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Martin: Meine Begeisterung für Kunst und spezifisch Theater in jeglicher Form steckt in allem, was ich beruflich mache, bzw. wodurch ich versuche Geld zu verdienen. Ein Großteil macht die Arbeit als Dramaturg der neuebuehnevillach aus, aber Schreiben und Regie zu führen in anderen Kontexten sind mir als künstlerische Arbeit extrem wichtig.

Was treibt euch an?

Simone: Die Freude am Tun und an den Ergebnissen und das Wissen, dass es noch so viel Schönes zu lernen und zum Umsetzen gibt und so viele tolle Menschen, mit denen ich noch unbedingt gerne zusammenarbeiten möchte.

Martin: Die Möglichkeit einer besseren (heißt vor allem gerechteren) Zukunft, in der all das, was zur Zeit als normal gilt, umdefiniert ist.

Kunst und Kultur in einer relativ kleinen Stadt wie Villach. Was ist der Reiz und was die Herausforderung?

Simone: Der Reiz und die Herausforderung sind für mich ein und dasselbe: man arbeitet ungestört und unbeobachtet, es gibt keine große Szene und keine fixen Spielregeln - die macht man selbst. Und man leistet mit fast allem, was man tut, Pionierarbeit, muss erst selbst Trampelpfade anlegen, wo in größeren Städten schon mindestens zweispurige Straßen sind. Das ist wunderbar für die Kreativität und kostet eine Extraportion Kraft.

Martin: Es ist vor allem anstrengend – der Reiz besteht vor allem darin, dass das Provinzielle mich provoziert. Ich sehe aber ständig, was möglich wäre und will einfach nicht aufgeben, daran zu glauben und zu arbeiten, dass der kulturelle und gesellschaftspolitische Horizont erweitert wird. Villach ist eine schöne Stadt und auch bemüht darin, plurale Angebote zu schaffen, vielleicht noch etwas halbherzig oder halbgebildet, aber auch das könnte sich ja noch ändern.

Warum nicht Wien, London, New York? Warum Villach?

Simone: Wir waren eigentlich schon in Wien. Dann wollten wir mit der ersten Tochter „erstmal“ in Kärnten bleiben - wegen den Großeltern. Mittlerweile haben wir drei Kinder. Für mich ist es aber mehr ein stetiges Pendeln - man kann ja durchaus an einem Ort wohnen und an mehreren Orten arbeiten und leben. Ein Ort davon ist für uns unsere Herzensstadt Wien. Aber: Als Projektorganisatorin sehe ich immer das große Ganze und suche mir meine Kompromisse sehr bewusst aus. Und so habe ich vor einigen Jahren beschlossen, genau dort, wo ich gerade bin, glücklich zu sein und es mir und meiner Familie so schön, wie möglich zu machen. Und gleichzeitig auch, den Ort, an dem wir leben, durch unser Tun und Wirken zu verändern.

Martin: Aber ich habe Simones Versprechen, dass wir jederzeit flüchten können, Villach und Kärnten bleibt für mich eng und begrenzt und ich bin auch nicht so diplomatisch, dass ich meine Wienliebe jemals verstecken könnte.

Ihr seid gut vernetzt. Inwiefern ist die Kulturszene über Kärntens Grenzen hinaus für euch relevant?

Simone: Viele Menschen derKulturszene sind im Laufe der Jahre unsere liebsten FreundInnen geworden und sind somit mehr als relevant für unser Leben. Abgesehen davon genieße ich ihre großartige Kunst und bin nicht nur Freundin, sondern großer Fan.

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Martin: Ich bin miserabel vernetzt, weil meine social skills dafür nicht reichen. Aber mit vielen KünstlerInnen, die ich im Laufe der Jahre kennenlernen durfte, sind freundschaftliche Beziehungen entstanden und eine demütige Wertschätzung vor ihrem Schaffen, gerade im Musikbereich.

Wolltet ihr schon immer tun, was ihr jetzt tut?

Simone: Ja. in gewisser Weise haben wir niemals etwas anderes gemacht. Kunst und Kultur war immer schon unser Lebensinhalt. Ich war bereits als Kind stundenlang beschäftigt und hab ganze Ballettaufführungen inklusive Kostüm- und Bühnenbild in gestaltet.

Martin: Seit meiner Jugend und dem Entdecken von Kunst und Kultur, damals vor allem durch die Literatur, die mir im Kaff die ganze Welt und unendlich viele Welten darüber erschlossen hat, bin ich völlig der Kunst verschrieben und verstehe eigentlich gar nicht, warum Kunst nicht längst schon Chef ist, um Jonathan Meese schlecht zu zitieren.

Ist euer Schaffen dann nur Berufung? Oder auch Beruf?

Simone: Es gibt diesen schönen Begriff „Dharma“ und ist vergleichbar mit Berufung. Das ist das Leben, für das jede Zelle deines Lebens geschaffen ist und wenn du es lebst, fühlt sich alles gut und richtig an. So ist das mit mir und all den Dinge, die ich tue.

Martin: Ich wüsste ja gar nicht, was ich anderes machen könnte. Für einen Beruf ist der Verdienst in Relation zum Aufwand aber zu gering, da gehe ich lieber mit dem Begriff der Berufung, wobei mich ja niemand rief, dass ich das mache, was ich mache. Vielleicht gar nichts in Richtung „Ruf“ sondern eher große Leidenschaft und mittlerweile auch eine gewisse Erfahrung und Können.

Angenommen, es gäbe kein Limit: Was würdet ihr gerne umsetzen?

Simone: Ein Kinderkulturzentrum; Achtsamkeits- und Meditationskurse in allen Instititutionen; alle Leerstände in der Innenstadt mit Kultur bespielen; ein Atelierhaus, in dem alle FreudInnen und KollegInnen aus anderen Städten nach Villach kommen können, eine Wohnung in Wien und vieles vieles mehr.

Martin: Ganz klar: Ein neues Theaterhaus, das als utopischer Ort eine Art Gegenrealität in sich bündelt und als Institution nicht nur Kultur konstruiert sondern vor allem eine neue Gesellschaft repräsentiert, in dessen Mauern lebbar ist, was allgemein als unmöglich gehandelt wird.