© Kurt Bauer

Der Weg zur Geistesruhe ist ein langer. Wer schon einmal das Buddhistische Zentrum in Graz besucht hat, dem ist vielleicht eine gewisse farbenfrohe Malerei aufgefallen – in ihrer Feinheit einem Druck zum Verwechseln ähnlich.
Dieses Bild zeigt einen buddhistischen Mönch in traditioneller oranger Robe, der versucht, einen Elefanten einzu­holen. Der Weg, bis er den Elefanten, der symbolisch für das Bewusstsein steht, einholt, fängt, und vor diesem einherschreitet, ist ein langer und arbeitsreicher. Die Aufgeregtheit in Form eines Affen und die Dumpfheit, dargestellt durch einen Hasen, erschweren das Erreichen des Ziels – das ruhige Verweilen. Shamatha.
Das Gemälde stellt den Weg eines Mönchs dar, der nach der Mahayana Tradition lebt – eine der beiden großen Hauptrichtungen des Buddhismus. Das Ziel des Mahayana ist die Leiderlösung sämtlicher Lebewesen. Wer diesem Weg folgt, strebt zwar die Erleuchtung an – doch nach ihr ebenso die Wiedergeburt als Bodhisattva, als der sich der Erwachte dem Wohl allen Lebens annimmt.
Die alte Tradition, der Theravada, verfolgt das Ziel der
Befreiung und Erleuchtung, um damit aus dem Kreislauf der Wiedergeburten auszubrechen.

Wie ein Pinselstrich

Barbara Klell ist die Vorsitzende des Buddhistischen Zentrums in Graz, dem Verein zur Förderung Buddhistischer Werte, welches sie gemeinsam mit ihrem Mann gegründet hat. Sie blickt auf eine lang­jährige buddhistische Praxis zurück.
Barbara Klell ist die Vorsitzende des Buddhistischen Zentrums in Graz, dem Verein zur Förderung Buddhistischer Werte, welches sie gemeinsam mit ihrem Mann gegründet hat. Sie blickt auf eine lang­jährige buddhistische Praxis zurück. © Kurt Bauer
Monika Eisenbeutel ist unter anderem Vorstandsmitglied sowie die Leiterin für die Bereiche Bildung und Kommunikation des Tibetzentrums Österreich. Seit vielen Jahren lehrt sie die Buddhistische Religion, Philosophie und Meditation.
Monika Eisenbeutel ist unter anderem Vorstandsmitglied sowie die Leiterin für die Bereiche Bildung und Kommunikation des Tibetzentrums Österreich. Seit vielen Jahren lehrt sie die Buddhistische Religion, Philosophie und Meditation. © KK

„In der Thangka Malerei beginnt jeder Strich dünn, wird dick und läuft wieder dünn aus. Das hat auch etwas mit der Meditationspraxis zu tun und mit dem Aufbau eines Retreats. Auf einen sanften Einstieg folgt der Höhepunkt und der sanft Ausstieg. Das ist eines der Prinzipien, denen man unbedingt folgen sollte“, erläutert Barbara Klell, in ihrer ruhigen und zugleich freudigen Art. Vergleichbar mit einem Bach, der meist stetig und gleichmäßig und dann wieder überschäumend voll plötzlicher Stärke dahinfließt. Die Vorsitzende des Buddhistischen Zentrums Graz organisiert unter anderem Retreats in der Steiermark – vor allem im Kalachakra Kalapa Center in Garanas. Doch zunächst: Was ist ein Retreat überhaupt?
„Retreat heißt Rückzug. Dabei ist nicht jedes Retreat gleich. Im Grunde geht es jedoch darum, sich mit einem Thema zu befassen, um in diesem Fortschritte zu erzielen“, so Monika Eisenbeutel, Meditationslehrerin und Stellvertretende-Leiterin des Tibetzentrums Österreich. Ihre Stimme geradlinig und klar. Wie ein Pfeil, der bestätig seinem Ziel zueilt. „Ein solches Thema kann zum Beispiel die Stärkung der eigenen Konzentration sein, durch Konzentrative Meditation.“
In diesem Fall würden die Retreat-Teilnehmer zwischen vier bis sechs Sitzungen pro Tag abhalten, beginnend vor Sonnenaufgang und nach dem Sonnenuntergang endend. Bei einem Rückzug, geführt durch einen Meister, gibt es auch einen Stundenplan. „In jeder Stunde macht man ausschließlich das, was man sich vorgenommen hat und konzentriert sich durchgehend auf entsprechende Übungen. Eine solche Übung könnte darin bestehen, sich auf die eigene Atmung zu fokussieren. Das mag sich leicht anhören, ist es aber keineswegs. Der Geist wird mit der Zeit schwer und sinkt ab, oder geht auf Wanderschaft. Man trainiert wie ein Marathonläufer.“

Den Elefanten zähmen

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In Hinsicht auf die Arten der Meditation, die während eines Retreats zum Einsatz kommen, kann man zunächst grob zwischen zwei Zweigen unterscheiden: Den der Konzentrativen Meditation und der Kontemplativen. Während der kontemplativen, stillen Meditation wird zum Beispiel über eine Eigenschaft oder über einen Gedanken nachgedacht, wie über den Vorteil der Entwicklung von Mitgefühl. Hat man hier eine Erkenntnis gewonnen, versucht man diese zu vertiefen und in diesem Geisteszustand zu verweilen.
Bei der Konzentrativen Meditation, oder auch Fokus Meditation, lernt man sich frei von Begrifflichkeiten mit einem Meditationsobjekt zu verbinden.
„Ein Beispiel wäre hier die Achtsamkeitsmeditation. Man konzentriert seinen Geist auf sein Objekt – zunächst auf ein bewegtes, wie den Atemfluss. In der Praxis können sich die beiden Zweige auch vermischen“, führt Barbara Klell weiter aus.

Wacher Geist, waches Bewusstsein

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Die Dauer und die Teilnehmer­anzahl sind genauso variabel, wie das Thema eines Retreats. Im Buddhismus gibt es etwa die berühmten Drei-Jahres-Retreats von Mönchen, so Monika Eisenbeutel: „Ein Retreat dieser Dauer wäre für jeden einfachen Praktizierenden so gut wie unmöglich. Selbst, wenn man genügend Zeit und materielle Mittel zur Verfügung hätte. Der Geist muss für einen Retreat bereit sein. Wir sind umgeben von Ablenkungen. Dazu besteht die Gefahr, dass der Geist schwer wird und sinkt. Auch eine ganze Woche stellt zu Beginn eine große Herausforderung dar. Besser ist es, klein anzufangen.“
Im Buddhistischen Zentrum Graz achtet Barbara Klell bei der Organisation eines Retreats für Anfänger daher immer darauf den „Studenplan“ möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Meditatives, achtsames Wandern findet hier genauso Platz wie herkömmlich Meditation in einer ruhigen Pose.
Übrigens: Um zu Meditieren muss man auch kein Buddhist sein. Auch Retreats sind interreligiös ausgelegt. Im Tibetzentrum Österreich in Knappenberg werden so im Sommer zum Beispiel Veranstaltungen für alle Menschen abgehalten, unabhängig von Religion und Glaube.

Achtsamkeit im Alltag

Nach dem Retreat, der Zeit des Rückzugs, wie geht es da weiter? „Stellen Sie sich vor: Man kehrt ganz gelassen zurück in den Alltag und schon am ersten Tag steigt einem eine andere Person auf den Fuß, oder rempelt einen im Vorbeigehen an. Da gehen die Emotionen hoch. Wichtig ist nicht, gleichmütig zu bleiben, sondern aktives Mitgefühl zu üben“, lächelt Barbara in Gedanken bei diesem Beispiel. „Die Frage ist, wie man einer Situation begegnet“, verdeutlicht Monika weiter. „Werde ich durch Schwierigkeiten, die mir das Leben bringt, aus der Bahn geworfen, oder kann ich Lösungen finden? Schaffe ich es, wenn eine Emotion kommt, diese zu transformieren? Die meisten werden von ihren Gefühlen einfach überschwemmt, ohne diese wirklich benennen zu können.“
Gerade als Einstieg sind Eintagesretreats eine gute Lösung. Ohne Handy, Computer und Fernseher nimmt man sich einen fixen Tag in der Woche Zeit, um zu Meditieren und seine Praxis zu üben. Wenn das funktioniert, kann man die Dauer des Retreats langsam steigern, ermutigt Monika Eisenbeutel: „Das bringt große Fortschritte.“