Im Rahmen der Reihe Primus Business Stage trafen sich Expertinnen und Experten aus dem Baubereich im Styria Media Center zur Podiumsdiskussion. „Baustelle Österreich: Wir brauchen einen Plan“, so das Motto. Thema waren die Herausforderungen für ein zukunftsfittes „Haus Österreich“. Für jede Problemlösung braucht es eine schonungslose Bestandsaufnahme. Diese kommt von Michael Wardian, CEO der Kirchdorfer Gruppe. Sein Unternehmen ist im Bereich Zement, Straßensicherheit und Betonfertigteile weltweit aktiv. „Der Hochbau hat ein Problem. Der Einfamilienhausbau ist komplett zum Erliegen gekommen, auch beim mehrgeschossigen Wohnbau ist die Lage nicht leicht. Nur der Infrastrukturbereich hält mit den großen Investoren ASFINAG und ÖBB einen wesentlichen Teil der Bauindustrie am Leben.“ Direkt angesprochen, gibt Judith Engel, Vorständin der ÖBB Infrastruktur AG, ein Bekenntnis zur Investitionstätigkeit ihres Unternehmens ab. „Unsere Investitionen sind in einem sehr stabilen Rahmenplan abgebildet und befinden sich auf einem historischen Höchststand. Das führt zu einer gewissen Grundauslastung in der Bauwirtschaft.“ Trotz ungeplanter Arbeiten, etwa der Beseitigung der Schäden auf der Westbahnstrecke aufgrund des letzten Hochwassers, werden alle geplanten Investitionen planmäßig weitergeführt.

Lange Verfahrensdauer

Bis es zum Baubeginn kommt, vergehen allerdings oft Jahre. Das wird immer öfter zum Problem, wie Alexander Pawkowicz, Geschäftsführer der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler, erklärt. „Die Stadt Graz brauchte für eine erstinstanzliche Baugenehmigung sieben Jahre. Trotz entsprechender Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes ist nichts passiert. Natürlich steigen dann die Kosten. Wir gehen davon aus, dass etwa 30 Prozent des Projektpreises aufgrund von Steuern, Rechtsvorschriften und der verlängerten Projektdauer zustande kommen.“ Herausfordernde Zeiten für die Baubranche. Hans Schaffer, Vorstand der ÖWG Wohnbau, sieht aber die Talsohle durchschritten: „Das Land Steiermark hat die Wohnbauförderung angepasst und wir können wieder mit unserer Bautätigkeit beginnen. Normalerweise bauen wir etwa 1.200 Wohnungen im Jahr, das ging inzwischen auf 600 herunter, nun gehen wir in Richtung 800. Es ginge noch schneller, wenn gewisse Vorgänge vereinfacht würden.“ Das greift die zuständige Landesrätin, Simone Schmiedtbauer, auf. „Unsere Aufgabe ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen und zu helfen. Wir reden immer von Entbürokratisierung. Ich habe deshalb in meinen Abteilungen einen Auftrag zur Entrümpelung von Vorschriften erteilt.“ Sie verweist auf über 200 Bauanträge für Einfamilienhäuser seit Beginn des neuen Wohnbauförderprogramms am 1. September. Einen weiteren Aspekt bringt Stefan Peters ein, nämlich den des technischen Fortschritts, der oft schneller voranschreitet als behördliche Verfahren nachkommen. Peters ist Leiter des Instituts für Tragwerksentwurf an der TU Graz und technischer Berater. „Wir in der Forschung haben laufend neue Ideen. Der Weg von der Idee über das Forschungsprojekt und Förderungen hin zum konkreten Projektbau ist ganz schön lange.“ Herausfordernd werden im Podium auch Einspruchsmöglichkeiten von Umweltverbänden oder Bürgerinitiativen gesehen.

Bündelung der Kompetenzen

Einen Ansatz, um gewisse behördliche Vorgänge zu beschleunigen, hat Simone Schmiedtbauer bereits auf den Weg gebracht: „Ich habe bei der letzten Referentenkonferenz einen zuständigen Minister für den Wohnbau gefordert. Bisher sind dafür drei bis vier Ministerien zuständig. Das gehört in eine Hand.“ Alexander Pawkowicz erklärt in diesem Zusammenhang die Zustände im Hause Österreich: „Für den Wohnbau ist das Arbeitsministerium zuständig, die dazugehörigen Förderungen sind im Wirtschaftsministerium angesiedelt, will man eine Photovoltaik-Anlage am Gebäude errichten, ist das Klimaministerium zuständig, für alle Fragen des Mietrechts wiederum das Justizministerium und so weiter.“ Er sieht eine große Chance, bei der nächsten Regierungsbildung alle Wohnagenden in einer Hand zu vereinen.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Neben der Deregulierung sind wohl Nachhaltigkeit und Klimaschutz die Themen der Zeit. „Wir müssen überlegen, wie wir bauen. Sparsamer, intelligenter, auf den Bestand schauen und ihn länger nutzen“, weiß Stefan Peters. Hier kommt der Beton ins Spiel – und damit seine Langlebigkeit. „Erste Stahlbetonbauten aus der Zeit vor etwa 100 Jahren haben eine bessere CO₂-Bilanz als Gebäude von 2010. Hier braucht es nicht nur technische, sondern auch ökonomische Entscheidungen.“ Diese hat die ÖBB schon lange getroffen. Judith Engel: „Unsere Infrastrukturprojekte sind seit jeher mit vielen Jahren Bestandsdauer verknüpft. Gebäude und Anlagen müssen mindestens 100 Jahre halten. Wir befassen uns thematisch mit der gesamten Palette an diesbezüglichen Fragestellungen.“ Nachhaltigkeit beschäftigt auch den gemeinnützigen Wohnbau stark. „Die Anforderungen im Wohnungsbau sind da sehr hoch“, weiß Hans Schaffer. „Wir senken laufend den Heizwärmebedarf der Gebäude, verbauen Photovoltaikanlagen, nutzen Grauwasser und vieles mehr. Dabei müssen wir aber auf die Leistbarkeit achten. Grundstückspreise, Baukosten, Finanzierungen, Förderungen – diese Parameter spielen hier eine entscheidende Rolle.“ Apropos Leistbarkeit: Die KIM-Verordnung der EU, welche strengere Finanzierungsregeln bei Kreditlaufzeit, Leistbarkeit und Eigenmittelanteil vorschreibt und vor allem jungen Menschen die Finanzierung eines Eigenheims erschwert, werden mit Juni 2025 auslaufen. Es tut sich also etwas. Leichtere Finanzierungen, kürzere Behördenwege, langlebigere und damit nachhaltigere Bauprojekte – alles Bausteine für das zukunftsfitte „Haus Österreich“. Ein Thema, das im Zusammenhang mit Beton angesprochen werden muss, ist der Bodenverbrauch. Hier hat Michael Wardian eine klare Meinung. „Ich bin absolut gegen Bodenversiegelung. Wir hatten in den letzten 20 bis 30 Jahren eine katastrophale Raumplanung. Wir brauchen ein zentrales Einkaufszentrum statt unzähliger flacher Gebäude mit riesigen Parkplätzen in der Peripherie. Diese Entwicklung muss aufhören.“