Eine Fahrt durch den US-Bundesstaat Washington zeigt die Diskrepanz deutlich auf: Im weitgehend ländlich und kleinstädtisch geprägten Land im nordwestlichen Eck der USA schießen die Trump-Schilder förmlich aus den Böden der Vorgärten. Das überrascht in einem der demokratischen Kernländer, das die letzten sieben Präsidentschaftswahlen verlässlich blau eingefärbt wurde. Die gängige grafische Illustrationsform auf der Wahl-Landkarte, in der Bundesstaaten mit demokratischer Mehrheit blau aufscheinen und rot für die Repubikaner steht, führt nämlich in die Irre. Es sind nicht blaue Länder, sondern blaue Großstädte wie Seattle, die den Ausschlag hin zu den Demokraten geben. 

Der Grund liegt in der Bevölkerungsverteilung in den USA. Der Großteil der Menschen lebt in Städten liberaler Prägung. Ihre Bewohner sind in großflächigen Bundesstaaten der traditionell konservativen Bevölkerung zahlenmäßig weit überlegen. Ohne die Städte würde die Wahl-Landkarte am Dienstag sehr eintönig sein: Rot, wohin man schaut, keine Spur vom Blau der Demokraten, von der immerblauen Hauptstadt Washington D. C. einmal abgesehen. 

Das sagt einiges über das Wesen der demokratischen Partei aus. Sie spricht vornehmlich Stadtbewohner an, am Land kriegt sie keinen Fuß auf den Boden. Die Parteistrategen versuchen aber trotzdem, auch im nicht-urbanen Raum zu reüssieren und geraten damit in die Kritik aus den eigenen Reihen: Ressourcen aufs Land zu verschieben wäre Verschwendung, man solle sich stattdessen bewusst als urbane Partei positionieren, sagen pragmatisch eingestellte Demokraten. Sie könnten Auftrieb erhalten, sollten morgen Ergebnisse in manchen Städten nicht mehr ausreichen, um die grundsätzlich roten Staaten auf Blau zu drehen.