Krimis und Bücher über die Arbeit von Profilern hätten sie immer schon interessiert, sagte Regisseurin Barbara Eder zu ihrer Doku "Der Blick in den Abgrund". "Wie sieht das Privatleben aus, kann man da abschalten? Was sagt man beim Heimkommen, wenn man gefragt wird 'Schatz, wie war dein Tag?' - 'Gut, ich habe mich heute mit drei Serienmördern beschäftigt'?" Die - teils inszenierte - Realität der Doku zeigt genau solch absurde Szenen - und ist dennoch mitunter ebenso banal wie die weitverbreiteten Kino- und TV-Klischees.

Zu Beginn der Doku steht ein Zitat von Friedrich Nietzsche: "Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein". Die sechs porträtierten Profiler aus Finnland, Deutschland, Südafrika und den USA haben unterschiedliche Strategien, mit den täglichen Abgründen ihres Berufs umzugehen: Die Amerikanerin Helen Morrison nimmt "ihre" Fälle nicht mit nach Hause - nach einem besonders schlimmen Tag übernachtet sie in einem Motel - und wirft vorsichtshalber einen Blick unter das Bett.

Killer-Gen finden

Morrison ist selbst irgendwie eine Besessene, wie viele der von ihr Befragten und Untersuchten: Sie hat sich in den Kopf gesetzt, das Killer-Gen zu finden, das sie im Gehirn jedes Menschen vermutet - und dieses will sie mit eingeführten Elektroden im Kopf von Serienmördern dingfest machen. Ihre beiden Söhne geben sich betont cool, wenn Mutter - zu spektakulären Fällen interviewt - auf CNN auftaucht. Mulmig wird es ihnen aber, wenn sie erzählt, dass sie einmal eine Postkarte vom Massenmörder John Wayne Gacy bekam: "Zu einer Zeit, Jungs, als man Namen und Adressen noch nicht einfach googeln konnte".

Die finnische Profilerin Helinä Häkkänen-Nyholm hingegen nimmt ihre Arbeit sogar mit auf die Ferien-Insel - sie arbeitet an einem Serienmordfall bei idyllischem Blick auf das Wasser, während ihr Mann einen Fisch ausnimmt - und sinniert in der Sauna über einen Mörder, der sein Opfer rund 20 Mal in der Augengegend mit einem Messer verstümmelt hat. Ihr Mann schwitzt wortlos neben ihr. Und holt sie wieder zurück, indem er sie bodenständig umarmt und auf den Po tätschelt.

Stephan Harbort, der Profiler aus Düsseldorf beschäftigt sich im Gefängnis mit dem Serienmörder Klaus-Dieter S., und erhofft sich Antworten auf wie und warum. "Was haben sie dabei gefühlt?" "Nix!", kommt es ohne Zögern. "Nix?" - "Nix!" Und Stille, und ein ausdrucksloses Gesicht - manchmal ist der Blick in den Abgrund auch hörbar.