Heute um 13 Uhr findet am Handelsgericht Wien die Prüfungstagsatzung der Signa Holding statt – genau zwei Monate, nachdem die Holding zahlungsunfähig wurde und ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung angemeldet hatte. Seit Ende letzter Woche ist klar, dass dieses ohne Eigenverwaltung fortgeführt werden soll. Beinahe kein Tag vergeht, an dem die Megainsolvenz rund um René Benkos Signa nicht Überraschungen und neue Facetten zutage fördert. Dennoch: Zwei Monate nach der Insolvenz der Holding, der jene der Signa Prime und Signa Development wie Dominosteine folgten, lässt sich eine Zwischenbilanz ziehen.

Als wesentlichste Voraussetzung dafür, dass Signa von beschaulicher Größe in die Dimension eines gigantischen Immobilienkonzerns emporwuchs, gilt das sich immer schneller drehende Aufwertungskarussell. Auf 27 Milliarden Euro soll sich der Wert der Immobilien hochgeschraubt haben, glaubt man den Signa-Bilanzen. Allerdings nur auf dem Papier. Denn Signa nutzte die Möglichkeit der internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS. Anders als das österreichische UGB, das dem Anschaffungswertprinzip folgt, ohne Aufwertungsmöglichkeit. „Die Anwendung internationaler Standards können wir nicht verändern. Aber die Kreditgeber können etwas daraus lernen“, sagt der bekannte Steuerberater Johann Neuner. „Sie müssen Bilanzen besser auf solche Verschönerungen untersuchen. Schließlich geht es nur um Aufwertungsgewinne und nicht um Cash.“

Neuners Appell an Gläubiger: „Hirn einschalten und analysieren, wie der Gewinn entstanden ist.“ Denn Aufwertungen seien „schön in der Bilanz, bringen aber keine Knödel“. Dass höhere Mieten (eigener) Handelsunternehmen den Wert der Liegenschaften stark nach oben getrieben haben, sei eine „Fratze des Kapitalismus“, sagt Neuner. Auch, dass „sich solche Unternehmer wie Benko mit Bankern und Politikern bei der Weißwurstparty treffen“. Auftrag an den Gesetzgeber lasse sich daraus aber keiner ableiten: „Er kann die IFRS nicht ändern.“

Steuerberater Johann Neuner
Steuerberater Johann Neuner © Weichselbraun

Einen „Webfehler“ im Gesetz sieht Neuner jedoch im Umstand, dass eine sogenannte „kleine GmbH“ – also solche galt die Signa Holding – an der Spitze deutlich größerer Tochterunternehmen steht und so Kriterien für Konzernbilanzen unterlaufen werden. „Unternehmensgruppen müssen einheitlich bilanzieren.“ Der Gesetzgeber müsse daher eine Reparatur einleiten und Konsolidierungspflichten nicht mehr an die Größe einer Konzernmutter knüpfen.

Dass René Benko zwar nicht offiziell, aber faktisch die Unternehmensgruppe leitete, steht für Großinvestoren wie Hans Peter Haselsteiner außer Zweifel. Das hätte aber weitreichende Konsequenzen, sagt Neuner: „Wenn er es wirklich war, würde Benko theoretisch auch für eine verspätete Insolvenzeröffnung haften.“ Da komme auch dem Unterschied zwischen Sanierungsverfahren und Konkursen eine entscheidende Bedeutung zu: „In Konkursverfahren haftet der Geschäftsführer persönlich, in Sanierungsverfahren wäre diese Haftung weitgehend bedeutungslos.“ Änderungsbedarf ortet Neuner bei der knappen Drei-Monats-Frist für Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung, diese sei „de facto denkunmöglich und daher nicht seriös“.

Höchst kritisch sieht Neuner die Millionenhonorare für Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, der Aufsichtsratschef von Signa-Firmen und auch Berater war. „Es gelten in Aufsichtsräten strenge Governancevorschriften.“ Gusenbauer erklärte dazu, es liege kein Konflikt mit dem Aktienrecht vor, da er Aufsichtsratschef der Signa Prime und Development sei, aber nicht der Holding, der er Beraterhonorare verrechnete. Der Sanierungsverwalter müsse Gusenbauers Leistung auf Angemessenheit prüfen und „jeden Zweifel, dass sich der Aufsichtsratsvorsitzende bereichert hat, ausmerzen“, meint hingegen Neuner.

Verstärkt in den Fokus geraten, ist durch die Insolvenzen in der Signa-Gruppe auch das Thema der verspäteten Bilanzvorlegung von Unternehmen. Hier plant nun Justizministerin Alma Zadić (Grüne) härtere Strafen für Firmen, die ihre Bilanz durch verspätete und ausbleibende Berichterstattung verschleiern und hat dazu auch einen entsprechenden Maßnahmenplan vorgelegt. „Die Welle an Signa-Pleiten hat gezeigt: Die momentanen Strafen reichen nicht. Große Konzerne zahlen lieber Strafe als offen und ehrlich Auskunft über ihre Wirtschaftslage zu geben“, hieß es in dem Papier des Ministeriums. Im Extremfall sollen bis zu fünf Prozent des weltweiten Jahresumsatzes als Strafe verhängt werden können. Wie dieses Gesetz im Detail aussehen wird, könnte sich bald zeigen. Der entsprechende Entwurf liege bereits beim Koalitionspartner ÖVP, „wir sind weiterhin intensiv an dem Thema dran“, heißt es auf Anfrage aus dem Justizministerium. Demnächst sei mit weiteren Schritten zu rechnen.

Cornelia Wesenauer, AKV
Cornelia Wesenauer, AKV © AKV

Die Insolvenzrechtsexpertin Cornelia Wesenauer vom Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) begrüßt unterdessen die – auch durch die Rekord-Insolvenzen bei Signa neu entbrannte – Diskussion über ein Konzerninsolvenzrecht, das es in der Form in Österreich bisher nicht gibt. Die Größe und Vielschichtigkeit, die internen Verflechtungen und Wechselwirkungen innerhalb der Gruppe hätten diese Notwendigkeit aufgezeigt.

Absolut bewährt habe sich die Einrichtung von Gläubigerausschüssen, „dieses Gremium, in dem die insolvenzrechtliche Perspektive von mehreren Seiten einfließt, ist bei Insolvenzen dieser Dimension sehr wichtig, um einen Gesamtüberblick zu bewahren und für Klarheit sowie eine transparente Kommunikation zu sorgen“, betont Wesenauer.