Sie sind gerade auf einer großen Branchenmesse in Las Vegas. Wie läuft es?
STEFAN LEDERER: Wir haben mit 30 Leuten in vier Tagen 300 Termine absolviert. Vor allem nach unserer Pressemitteilung ist es so richtig abgegangen.
Die Meldung, dass Sie als Start-up auf einen Schlag 30 Millionen Dollar von Investoren bekommen, platzte in die Messe?
Genau. Das hat sich perfekt ergeben. Für unsere Industrie ist es ein tolles Zeichen, dass Video im Internet im Kommen ist – das wird ein großer Markt. Die Meldung hat für enormes Feedback gesorgt.
Blicken wir zurück: Sie gründeten Bitmovin 2013 zu dritt in Klagenfurt. Wie kam es dazu?
Meine Mitgründer und ich haben unser Studium in Klagenfurt gemacht. Christopher Müller hat mit mir studiert, wir kennen uns seit dem ersten Tag an der Uni. Christian Timmerer hat Lehrveranstaltungen und Projekte zu Multimedia-Streaming gemacht. Wir haben gesehen, der ist cool drauf. Dann haben wir gemeinsam an Forschungsprojekten gearbeitet und ein Praktikum bei Dolby in den USA absolviert.
Sie haben Standards zum Videostreamen in Gremien sogar mitentwickelt?
Ja, wir haben da mitgestaltet, hatten dadurch einen zeitlichen Vorteil. Wir haben die ersten Tools und Implementierungen entwickelt und online gestellt und bekamen weltweit Feedback von der Industrie. In der Forschung haben wir gesehen, dass andere auch nur mit Wasser kochen. Wir konnten Videos effizienter komprimieren und übertragen. Wenn man so früh sieht, dass Potenzial da ist, ist es wert, ein Unternehmen zu gründen.
Wann kam der Durchbruch?
Am Anfang hat man eine Idee und einen Plan, muss aber erst den Kunden finden und den Markt genau definieren. Da haben wir viel herumprobiert. Die ersten Kunden haben uns sehr geholfen, etwa Flimmit. Gleichzeitig haben wir Kunden aus dem Silicon Valley bekommen. Dann wurden wir in das US-Inkubator-Programm „Y-Combinator“ aufgenommen. Dort waren Firmen wie Dropbox und Airbnb, die sind wahnsinnig erfolgreich und von denen haben wir extrem viel gelernt. Wenn du führende Technologien entwickelst, kannst du darauf ein Unternehmen aufbauen.
Aber das allein reicht nicht?
Uns hat es schon immer getaugt, viel in den USA unterwegs zu sein – anfangs bei Standardisierungsmeetings, später bei Kunden. Wir vertreiben aber die Produkte über unsere Onlineportale. Die Kunden kommen aus Südafrika, Japan oder Lateinamerika zu uns auf unsere Website, testen und dann fangen wir mit denen ein Gespräch an. So haben wir große Firmen wie Sling oder die New York Times gefunden.
Kontakte sind nicht so wichtig?
Schon. Aber wir wenden uns auch an den technischen Nutzer, der das Produkt mögen soll. Das differenziert uns von Firmen, bei denen man zuerst mit dem Verkauf reden muss.
Müssen Sie sehr kämpfen, um den Vorsprung zu verteidigen?
Man muss vorne dabei bleiben. Dazu muss man konstant investieren. Unsere Forschungsprojekte an der Uni Klagenfurt werden immer größer, wir finanzieren Doktoratsstellen. Das, was wir vor fünf Jahren gemacht haben, hilft uns heute, aber wir investieren in neue Technologien. Ein neuer Videokompressionsstandard ist im Werden, der wird von Netflix, Youtube unterstützt – wir sind der führende Anbieter dieser Technologie. Bei einer Diskussion in Las Vegas waren die Teilnehmer Microsoft, Google, Intel, Netflix und Bitmovin. In dieser Riege zu sein war cool!
Warum haben Sie Ihren Firmensitz nach San Francisco verlegt?
Das war für die Investoren wichtig. Das Mutterschiff mit den meisten Leuten und der prägenden Kultur des Unternehmens ist nach wie vor in Klagenfurt. Von hier aus erweitern wir uns: Wir haben Vertriebsniederlassungen in New York und San Francisco, einzelne Vertriebsmitarbeiter in Lateinamerika, Asien. Wir bauen jetzt eine Niederlassung in London auf, haben ein Entwicklerbüro in Wien aufgemacht.
Wie geht es einem, wenn plötzlich 30 Millionen Dollar kommen?
Wenn man realisiert, wie viel Geld das ist, wird einem die extreme Verantwortung bewusst. Wir müssen beweisen, dass wir das erreichen können, was wir uns erhoffen. Wir sind relativ jung und müssen uns daher die Erfahrung holen – durch Mitarbeiter und Investoren. So schauen wir, dass wir schlauer werden und nicht die gleichen Fehler machen wie andere.
Werden Sie bald ein normales Unternehmen?
Wir wollen uns die Start-up-Kultur, so lange es geht, bewahren. Wir stehen ja noch am Anfang.
Welche Tugenden können Sie Jungen, die am Start stehen, mitgeben?
Wichtig ist, dass man sich Inputs holt. Von potenziellen Kunden, von Beratern. Kein Meister ist noch vom Himmel gefallen – so ist das auch bei Start-ups. Man muss sich persönlich weiterentwickeln.
Wohin soll die Reise gehen?
Wir müssen die vielen neuen Kunden bedienen und das Team weiter ausbauen. Die Energie im Team ist Wahnsinn.
Woher kommt sie?
Wir haben eine lässige Kultur. Jeder kann es zeigen, Verantwortung übernehmen. Gleichzeitig sind wir immer noch per du und Freunde, die viele Sachen zusammenmachen.
Das Ziel von Bitmovin bleibt ein Börsengang in den USA?
Wir hübschen uns nicht für den schnellen Exit auf, sondern wir wollen etwas Langfristiges bauen. Wir haben wahnsinnig viele Ideen, die wir verwirklichen wollen. Es wäre schon cool, als Unternehmen aus Kärnten die Eröffnungsglocke an der Nasdaq (Technologiebörse in New York, Anm.) zu läuten.
Was sagt die Familie im Gailtal?
Die ist darauf bedacht, dass ich nicht zu viel reise und auch abschalten kann. Ich fliege alle sechs Wochen zurück nach Österreich, um daheim zu sein. In San Francisco kann man sehr schnell abheben, es ist mir daher wichtig, die Erdung zu haben. Dieser Bezug zur Heimat ist sehr gesund.