Im Streit um eine Tarifbindung beim US-Onlinehändler Amazon in Deutschland wollen nach Angaben der Gewerkschaft Verdi am Dienstag mehrere hundert Beschäftigte gegen eine Preisverleihung für Amazon-Chef Jeff Bezos in Berlin protestieren. Wir "geben Jeff Bezos ein Feedback der Beschäftigten", erklärte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger am Montag.

Die Gewerkschaft kämpft seit Jahren dafür, dass die Beschäftigten einen Tarifvertrag bekommen und nach Tarif im Einzel- und Versandhandel bezahlt werden.

Bezos soll den Axel Springer Award 2018 überreicht bekommen. Er wird verliehen an herausragende Persönlichkeiten, die "außergewöhnlich innovativ sind, neue Märkte schaffen und Märkte verändern, Kultur formen und sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen". Mit einem Geldpreis ist die Auszeichnung nicht verbunden. Die Beschäftigten von sechs deutschen Amazon-Standorten wollen am Dienstagabend vor dem Axel-Springer-Haus in Berlin-Kreuzberg gegen diese Preisverleihung protestieren.

"Gewerkschaftsfeindliche Haltung"

"Die Amazon-Beschäftigten wollen deutlich machen, dass zu einem guten Job mit guten Leuten bessere Arbeitsbedingungen und die Absicherung durch einen Tarifvertrag gehören", erklärte Gewerkschafterin Nutzenberger. Bezos verweigere bisher in allen Ländern die sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit mit Gewerkschaften. In den Unternehmensleitungen herrscht nach Verdi-Angaben eine gewerkschaftsfeindliche Haltung, die dazu führt, dass Tarifverträge für die Beschäftigten regelmäßig verweigert werden.

"Was das mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun hat, ist mir schleierhaft", kritisierte Nutzenberger die Preisvergabe. "Eine Persönlichkeit, die keine Rücksicht auf Beschäftigte nimmt, verdient keine Auszeichnung." Innovation müsse auch ein menschliches Gesicht haben, und der Ausbau eines weltweiten Monopols verdiene die Bezeichnung Innovation nicht.

Es wurde wieder gestreikt

An den deutschen Standorten des weltweit größten Internet-Händlers finden seit Jahren immer wieder Streiks statt, um einen Tarifvertrag durchzusetzen. Am Montag legten Angestellte an den Standorten Leipzig, Werne, Rheinberg, Bad Hersfeld, Koblenz und Graben die Arbeit nieder, wie Verdi mitteilte.

Nach ihren Angaben ist die Gewerkschaft mittlerweile flächendeckend durch eine steigende Zahl von Mitgliedern vertreten. An den meisten Standorten verträten Betriebsräte die Interessen der Belegschaft im Unternehmen. Amazon dagegen betont stets, am oberen Ende dessen zu zahlen, was für vergleichbare Tätigkeiten üblich sei.

Amazon droht ein konzertierter Streik

Von Gewerkschaftsseite weht gegen Amazon auch international ein zunehmend rauer Wind.

Gewerkschaften planen europaweite Streiks gegen den US-Onlinehändler. Bei einem Treffen von Betriebsräten aus Europa und Nordamerika in Rom in der Vorwoche wurden Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet.

Dabei stehe unter anderem auf der Tagesordnung, "inwiefern wir international synchronisierte Streiks an den umsatzstärksten Tagen realisieren können", sagte der für Amazon zuständige Vertreter der deutschen Gewerkschaft Verdi, Thomas Voß.

In einem ersten Schritt sei ein gemeinschaftlicher Streik mit Beschäftigten aus Italien und Spanien möglich, sagte Voß. "Gewerkschaften können im nationalen Rahmen nichts gegen Global Player wie Amazon ausrichten." Das Treffen in Rom wird von der Gewerkschaftsföderation Uni Global Union veranstaltet.

Amazon betont im Tarifstreit immer wieder, ein guter Arbeitgeber zu sein und vergleichsweise hohe Löhne zu zahlen.