Viel wurde in den vergangenen Jahren getan, um Österreich davor zu schützen, als Steueroase gebrandmarkt zu werden. Doch Untersuchungen des Consulting-Unternehmens Orbis, die der deutschen Wochenzeitung Zeit vorliegen, zeigen, dass vor allem internationale Konzerne in Österreich ideale Bedingungen vorfinden, um ihre Steuerleistung zu reduzieren.
Ein Beispiel findet sich in Lannach. Die Magna Powertrain, zuständig für die Entwicklung und Produktion von Antriebssträngen, hat 2015 einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro erwirtschaftet und 35 Millionen Euro Gewinn geschrieben. Die Steuerleistung: 45.000 Euro. Hier handelt es sich auch keineswegs um einen Einmaleffekt. Denn die Zahlen für die Jahre 2012 bis 2014 sind ähnlich. In einer Stellungnahme gegenüber der Kleinen Zeitung schreibt Magna International: "Wir sind ein global tätiges Unternehmen und kommen unseren Steuerpflichten nach. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir darüber hinaus keine weiteren Angaben öffentlich machen können."
Zum Vergleich: Ein Unternehmer, egal ob Gastwirt, Taxifahrer oder Trafikant, der es schafft im Jahr 100.000 Euro Gewinn zu schreiben, kommt auf eine Steuerleistung von rund 38.000 Euro.
Steuerflucht mit System
Das Beispiel von Magna ist in Österreich kein Einzelfall. Wie weitreichend das Steuersystem auf legalem Weg ausgenutzt werden kann, zeigt auch das Beispiel Unilever, bekannt durch Marken wie Knorr, Lipton, Eskimo, Dove uvm. Weltweit macht der Konzern rund sieben bis acht Milliarden Euro Gewinn und führt rund um den Globus dafür gut zwei Milliarden Euro an Steuern ab, im Schnitt also gut 25 Prozent.
Nicht so in Österreich: Denn die Unilever Österreich schreibt seit vielen Jahren Verluste. 2015 betrug das Minus elf Millionen Euro, bei einem Umsatz von 290 Millionen Euro. Besonders Paradox: Obwohl kein Gewinn erwirtschaftet wurde, kam es dennoch zu Steuerzahlungen von 850.000 Euro. Ein Prozentsatz, der sich anhand der geltenden Steuergesetze nicht so ohne weiteres nachvollziehen lässt. Eine Anfrage der Zeit blieb allerdings unbeantwortet.
Allerdings ist aus anderen Ländern bekannt, wie Unilever vorgeht. In einem Land werden zwei Gesellschaften gegründet, beide im Eigentum des Konzerns. Dann gibt der Konzern einer der beiden Töchter einen hohen Kredit zu sehr ungünstigen Bedingungen, mit diesem Geld kauft die eine Tochter die andere Tochter zu einem stark überhöhten Preis. Die Zinszahlungen für den Kredit und die durch den hohen Kaufpreis hohe Abschreibung verringern den versteuerbaren Gewinn. Übrigens: In großen Märkten, wie den USA, China oder Indien verzichtet Unilever auf dieses Modell.
Faire Steuern
Doch wie errechnet man einen fairen Steuerwert für multinationale Konzerne. Dafür kann ein sogenanntes Fair-Tax-System angewendet werden. Zuerst vergleicht man den weltweiten Umsatz mit den weltweit gezahlten Steuern und erhält einen Prozentsatz von Steuern zu Umsatz. Diesen kann man dann auf die jeweiligen Länder umlegen. Dieses System kann keineswegs als exakt betrachtet werden, doch es gibt eine Einschätzung darüber, wie stark Konzerne Steuern umgehen.
Besonders drastisch fällt dieser Vergleich in Österreich laut dem Artikel der "Zeit" beim Pharmakonzern Novartis aus. 300.000 Euro wurden an Steuern gezahlt. Nach Fair-Tax hätten es 49 Millionen Euro sein können. Auch das Beispiel von Magna Powertrain ist bemerkenswert. Rund 50.000 Euro stehen einem Fair-Tax-Wert von 21 Millionen Euro gegenüber. Beim Papierhersteller Mondi stehen 10 Millionen Euro Steuerleistung einem Fair-Tax-Wert von 50 Millionen Euro gegenüber, bei Daimler sind es zwei Millionen Euro Steuern versus 18 Milliarden Euro Fair-Tax.
Ein positives Beispiel ist der Handelskonzern Rewe. Hier entspricht die tatsächliche Steuerleistung von 14 Millionen Euro auch dem Wert, der mit Fair-Tax errechnet werden kann.
Novartis dementiert Zeit-Bericht
Der Pharmakonzern Novartis bezeichnet die Darstellung nur 300.000 Euro Steuern zu zahlen als falsch und irreführend. Das Unternehmen versichert in einer Reaktion, sich an alle Steuergesetze zu halten: "Novartis führt in Österreich Körperschaftssteuer für seine Gesellschaften via die Novartis Austria GmbH ab. Der oben angeführte Betrag repräsentiert daher nicht die Steuerleistung des Konzerns in Österreich. Das Unternehmen hat völlig in Einklang mit den österreichischen Steuergesetzen in den vergangenen Jahren jeweils zweistellige Euro-Millionenbeträge an Körperschaftssteuer (KÖSt) abgeliefert." Tatsächlich weißt das Firmenbuch für das Unternehmen im Jahr 2016 unter dem Posten "Aktive latente Steuern" einen Wert von 21,3 Millionen Euro aus. Weiters wird betont, Novartis löse durch sein wirtschaftliches Engagement in Österreich eine direkte und indirekte Wertschöpfung von 1,4 Milliarden Euro auslöse.
80 Prozent Verlust
Die Zeit hat für das Jahr 2015 mehrere Konzerne untersucht, deren Steuerleistung gerade einmal 61 Millionen Euro betragen hat. Der faire Beitrag wären allerdings 308 Millionen Euro gewesen. Umgelegt auf die Gesamtsteuerleistung von multinationalen Konzernen entgeht dem Staat rund 80 Prozent der Steuerleistung.