Immer häufiger müssen Lebensmittel mit Plastikteilchen von Firmen zurückgerufen werden. Schuld daran dürfte die jahrelange Praxis schlampiger Reinigungen von Lebensmitteltransporten in Tanklastern sein. Dieses "schwarze Loch" unzureichender Reinigungen der Tanksilos sei eine Gefahr für die Gesundheit der Konsumenten, warnt ENFIT-Präsident Hans-Dieter Philipowski.

Der internationale Tankreinigungsverband ENFIT beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema und hat jetzt eine europäische Arbeitsgruppe ("Food Safety in the Supply Chain") dazu ins Leben gerufen. Diese befasst sich nun erstmals auf europäischer Ebene mit der Frage nach einheitlichen Standards und damit auch der Rückverfolgbarkeit von Kontaminationen beim Transport in Tank- und Silofahrzeugen.

Aufgrund fehlender Standards für Reinigungs- und Desinfektionsverfahren kann es zu einer Kontamination der Lebensmittel mit Bakterien, Viren, Pilzen, Allergenen, Mykotoxinen oder Kunststoffgranulaten, Holz, Metall oder Glas, kommen. Für Verbraucher ein gesundheitliches, unkalkulierbares Risiko.

Zahlreiche Rückrufe

In den vergangenen Monaten hat sich die Zahl von Rückrufaktionen bei Lebensmitteln durch die Industrie dramatisch verstärkt. Erst diese Woche hat die deutsche Firma Albert Schiller Leberwürste zurückgerufen, weil ein rotes Plastikteilchen von fünf Millimetern Breite und sieben Millimetern Länge entdeckt wurde. Insgesamt habe sich gezeigt, dass rund 30 Prozent der Rückrufe wegen solcher Kunststoffteile in Lebensmitteln erfolgten.

Philipowski erklärte im Gespräch mit der APA, das Problem sei vor allem, dass die lückenlose Qualitätssicherung in den Betrieben den Transport nicht erfasst und wegen mangelnder und schlechter Kontrollen der erforderlichen Tankreinigung keine Rückverfolgbarkeit bei Kontaminationen gegeben sei. Dies könne vor allem dort zu die Gesundheit der Konsumenten schädigenden Folgen führen, wo ein Tanklaster mit Kunststoffgranulat beladen beispielsweise von München nach Hamburg fährt, und da er nicht unbeladen die gleiche Strecke zurückfahren möchte, dann eine Milchlieferung im selben Tank mitnimmt. Dafür sei zwar eine Reinigung vorgesehen, doch die notwendigen Hygienevorschriften würden dabei kaum erfüllt, beklagt Philipowski.

Schimmel im Mehl

Seine Arbeitsgruppe ist mit der Gesundheitsdirektion der EU-Kommission im Gespräch, um eine Verbesserung der Situation bei dieser "Kreuzkontamination" aufzubauen. Philipowski verwies u.a. darauf, dass es beim Transport von Mehl - vor allem in den feuchteren Monaten - bei nicht genügender Reinigung der Tanks zu Ablagerungen an den Innenwänden komme, die so hart werden, dass sie nur mehr sehr schwer zu entfernen seien. Die Mühlenindustrie habe dazu immer erklärt, dass die Schimmelpilze, die sich im Getreide befinden, ja sowieso durch den Backvorgang bei 230 Grad abgetötet würden. Nur, so Philipowski, dies betreffe nicht die Ausscheidungen der Schimmelpilze, die Mikrotoxine. "Das ist Schimmelpilz-Gift, und das essen wir". Dadurch könnte beispielsweise Leberzirrhose entstehen.

Konkret bedeute dies aber auch, dass die verarbeitenden Firmen oft gar nicht wüssten, mit welchen kontaminierten Produkten sie beliefert werden. "Jeder Transport, der in die Fabrik reingeht, ist wie ein trojanisches Pferd. Man weiß nicht, was in dem bestellten Produkt noch drin ist", gibt Philipowski zu bedenken.

Nur ein Rohr

Ein großes Problem sei auch, dass viele große Transport-Lkw Tanks mit drei Kammern haben, "aber dann gibt es nur ein gemeinsames Ablaufrohr". In einem Tank seien 8.000 Liter Öl, daneben im zweiten Tankbehälter 8.000 Liter Milch und im dritten 8.000 Kilogramm Schokolade. "Das wird alles über das gleiche gemeinsame Ablaufrohr entleert", kritisiert Philipowski.

"Das ist nicht eine Kontamination im ppm-Bereich (part per million, also ein Millionstel, Anm.) sondern da geht's um 50 oder 100 Kilogramm". Hier könne man sehen, welches Gefahrenpotenzial für die Gesundheit von solchen ungeregelten Praktiken ausgehe. 30 Prozent aller Tankfahrzeuge verfügten lediglich über ein solches gemeinsames Ablaufrohr.

Dazu komme, so Philipowski, dass diese Tanklaster auch noch einen Kompressor zuschalten können, um den Ablauf zu beschleunigen. Dieser Kompressor habe zwar eine notwendige Filtereinrichtung, doch da der Filter rasch verschmutzt sei, werde er herausgenommen und nicht mehr ersetzt, weil dies ja zusätzliche Kosten für die Logistiker verursachen würde. Auch hier versagten die derzeit sehr schlampig durchgeführten Kontrollen. Von Gesundheitsbewusstsein in der Lebensmittel-Transportkette könne man da überhaupt nicht reden.

Keine Dokumentation

Dazu komme, dass nach derzeitigem Stand in einem Reinigungsbescheid nur die letzte mitgeführte Ladung aufgezeichnet sein müsse. Also im Fall von einem Transport zunächst mit Kunststoffgranulat und anschließend einer Milchladung müsste nur die Milch angeführt werden, nicht aber die Plastikkugeln. Dies verunmögliche aber die Rückverfolgbarkeit.

Dass das seit Jahrzehnten bestehende Hygieneproblem bisher kaum Beachtung gefunden hat, erklärt Philipowski auch mit dem großen Druck auf die Transportkosten. "Für eine transparente, nachvollziehbare und qualitativ hochwertige Reinigung und Desinfektion der Tank- und Silofahrzeuge, Tankcontainer und anderer Lebensmitteltransportbehälter, fehlt offensichtlich das Geld und die Hygiene bleibt auf der Strecke. Das geht ganz klar zulasten des Verbraucherschutzes und zulasten der produzierenden Unternehmen." Eine Reinigung und Desinfektion kostet heute im Schnitt 100 Euro, obwohl sie bei sachgemäßer Anwendung im Schnitt 250 Euro kosten müsste. "Qualität hat ihren Preis", sagte Philipowski. Doch in Wahrheit wären diese 150 Euro zusätzlich im Verhältnis zum Preis eines Lebensmittels verschwindend gering. Wenn ein Tankzug 25.000 Liter Milch geladen habe, würden Mehrkosten bei der Reinigung um 150 Euro lediglich 0,006 Cent pro Liter bedeuten - oder sechs Cent auf 100 Liter Milch.

Die EU-Arbeitsgruppe, an der Vertreter der Lebensmittelindustrie, Logistiker, Reinigungsanlagenbetreiber, Hygieneexperten, Behörden und NGOs teilnehmen, erarbeitet nun in enger Abstimmung mit der Gesundheits-Direktion der EU-Kommission erstmals Standards, die den Transport und seine Risiken in den Fokus nehmen, um daraus eine für alle Stakeholder verbindliche Europäische Guideline zu entwickeln.