Neues Ungemach für VW in der Abgasaffäre: Ungeachtet eines bereits ausgehandelten Milliarden-Vergleichs haben mehrere US-Staaten am Dienstag Klagen gegen VW angekündigt und erhebliche Vorwürfe auch gegen das Top-Management erhoben. Allein in den drei Bundesstaaten Maryland, New York und Massachusetts waren den Angaben zufolge fast 53.000 Fahrzeuge betroffen.

Die Manipulation mit einer speziellen Software sei auf höchster Ebene geplant und genehmigt gewesen, auch der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn sei beteiligt gewesen, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Generalstaatsanwälte von New York, Maryland und Massachusetts, Eric Schneiderman, Brian Frosh und Maura Healey vom Dienstag.

Wer wusste was? Und wann?

Erstmals eine Teilmitwisserschaft wird auch Winterkorns Nachfolger im Amt des Vorstandsvorsitzenden, Matthias Müller, gegeben. In der Klageschrift ist von einem "H. Müller" die Rede, der bereits 2006 in seiner Funktion als Projektmanager bei Audi zu Kenntnissen über die Diesel-Problematik gelangt sein soll. Ein weiterer leitender Audi-Mitarbeiter habe die Bezeichnung "H. Müller" dem heutigen Volkswagen-Vorstandschef zugeordnet. Ein Volkswagen-Sprecher wies die Vorwürfe am Dienstag als unbegründet zurück.

Volkswagen bezeichnet die Vorwürfe als "im Wesentlichen nicht neu". Der Sprecher erklärte: "Wir haben sie in unseren Diskussionen mit den US-Behörden - auf nationaler Ebene und auf Ebene der Bundesstaaten - bereits adressiert." Volkswagen kooperiere mit den US-Behörden.

Bisher habe Volkswagen zugestimmt, betroffene 2,0-Liter Turbodiesel-Fahrzeuge zurückzukaufen oder anzupassen, einen 2,7 Mrd. Dollar schweren Fonds zur Finanzierung von Umweltausgleichsmaßnahmen im Interesse aller 50 Bundesstaaten aufzusetzen und zwei Mrd. Dollar in Initiativen zur Förderung der Nutzung von Null-Emissions-Fahrzeugen in den USA zu investieren.

"Das ist bedauerlich"

"Es ist bedauerlich, dass ein paar Staaten entschieden haben, jetzt Umweltschutzklagen zu erheben, ungeachtet ihrer früheren Unterstützung des laufenden gemeinschaftlichen Verfahrens der Staaten", sagte der Volkswagen-Sprecher. Die Klagen richten sich gegen die Volkswagen AG, die Audi AG und die Porsche AG sowie die jeweiligen US-Ableger der Firmen. Einer der Vorwürfe lautet auch auf die Zerstörung wichtiger Beweismittel. Mehrere VW-Mitarbeiter hätten einem Tipp von einem Hausjuristen folgend die Beweise geschreddert.

Marylands Generalstaatsanwalt Brian Frosh warf VW die wissentliche Verschmutzung der Luft seines Staates vor. "Ihre Missachtung der Gesundheit unserer Einwohner und ihre Missachtung unserer Umwelt muss bestraft werden", heißt es in einem Statement Froshs. Die Luftqualität in Maryland habe sich über Jahrzehnte verbessert. "Wir lassen uns das nicht mit schmutzigen Tricks von Volkswagen kaputtmachen", sagte Frosh.

Froshs New Yorker Kollege Schneiderman warf Volkswagen "systematischen und kalkulierten Rechtsbruch" sowie "tiefe unternehmerische Arroganz" bei der Aufarbeitung der Vorfälle vor. "Das sollte auf jeder Vorstandsetage als Warnsignal gehört werden: Wir werden mit der ganzen Härte des Gesetzes die härtestmöglichen Sanktionen anstreben, um unsere Menschen zu schützen."

Klage aus Spanien

Der spanische Verbraucherschutzorganisation OCU hat wegen des Abgasskandals unterdessen eine Sammelklage gegen den deutschen Autobauer eingereicht. Die Klage sei beim Handelsgericht in Madrid eingegangen, teilte OCU am Dienstag mit. Rund 4000 vom Skandal betroffene Menschen hätten sich bereits der Schadenersatzforderung angeschlossen. Der Verband übernehme für die Geschädigten alle Gerichts- und Anwaltskosten, hieß es.

VW müsse die begangenen Fehler einräumen, innerhalb eines Monats die betroffenen Fahrzeuge reparieren und jeden einzelnen Geschädigten mit mindestens 2.000 Euro entschädigen, fordern die Verbraucherschützer. Der Sammelklage können sich noch weitere Betroffene anschließen.

Erst vor eineinhalb Wochen hatte die spanische Justiz wegen des Skandals um manipulierte Emissionswerte bei Dieselwagen Ermittlungen gegen den VW-Konzern eingeleitet. Der Richter Ismael Moreno vom Nationalen Gerichtshof in Madrid erklärte, die Volkswagen AG stehe im Verdacht des Betrugs, des Subventionsbetrugs und des Verstoßes gegen die Umweltgesetze.