Es ist es ein ordentlicher Aufwand, der am Bezirksgericht Feldbach wegen der Auswüchse nach einer durchzechten Osternacht betrieben werden muss. Acht Zeugen sind geladen, um die Frage zu klären: Hat er oder hat er nicht? Nämlich vor einer Wohnhausanlage einen Straßenpflock ausgerissen, zu Boden geworfen und dadurch demoliert. Sachbeschädigung nennt sich das Delikt, das dem Mann zur Last gelegt wird.

Der Angeklagte erscheint mit Verteidigerin – aber zu spät. Das trägt ihm eine Rüge von Bezirksrichterin Elisabeth Schwarz ein. Eine außergerichtliche Regelung der Sache (Diversion) lehnt der Mann strikt ab. Seine Verteidigerin begründet das so: „Er hat das nicht gemacht. Zur Tatzeit war er im Haus.“ Auch sei er nie überhaupt nur in der Nähe der Straßenpflöcke gewesen und Kieselsteine seien auch nie hin und her geworfen worden – wie im Polizeiprotokoll steht.

Falls es Zeugen gäbe ..., setzt die Bezirksrichterin an. „Die kann es nicht geben“, ist der Angeklagte felsenfest überzeugt. „Wir haben die ganze Nacht durchgefeiert. Ich wüsste nicht, dass jemand draußen war. Aber ich war eine halbe Stunde am Klo.“

Wettstreit um den höchsten Promille-Wert

Von den Zeugen werden zuerst die beiden Polizeibeamten aufgerufen, die den Fall aufgenommen haben. Der erste beschreibt die Auskunftsfreudigkeit der Personen am Ort des Geschehens – eine Wohnung in dem Mehrparteienhaus – so: „Wir wissen von nichts. Mein Name ist Hase.“

Dazu dürfte der Alkohol beigetragen haben, der reichlich geflossen war. Was amtlich ist, da alle Anwesenden einem Alko-Test unterzogen wurden. Mit Ergebnissen, die den Akteuren offenbar richtig Spaß bereitet haben. Den Höchstwert erreichte eine der beiden Frauen: 3,38 Promille. „Sie hat sich gefreut, dass sie die Siegerin ist“, sagt der Polizist aus. Die zweite Frau brachte es „nur“ auf 2,48 Promille. „Es ist da fast ein Wettlauf entstanden“, ergänzt sein Kollege. „Aber sie waren schon zeitlich und örtlich orientiert.“ Aber das sind nur Nebengeräusche.

Der Nachbar, der die Polizei alarmiert hat, hat den Angeklagten und einen weiteren Mann eindeutig identifiziert.

"Hundertprozentig sicher"

Dieser Zeuge kommt als nächster dran. Er erkennt den Mann auch vor Gericht. „Der Herr, der da sitzt“, sagt er, dreht sich um und sieht den Angeklagten an. Dieser und eine Frau seien vor dem Haus gewesen. Es sei laut geworden, ein weiterer Mann sei dazugekommen und habe Kieselsteine gegen den Angeklagten geworfen. Der habe gegen eine Hinweistafel getreten, dann einen Straßenstipfel ausgerissen und in die Wiese geworfen. Der Zeuge hat die Polizei gerufen, weil in der Nähe des „Tatorts“ seine Autos standen. Er hat mögliche Beschädigungen befürchtet. Er bleibt bei seiner Aussage – auch auf Nachfrage der Bezirksanwältin: „Ich bin mir hundertprozentig sicher.“

Die Frau mit dem höchsten Promille-Wert kann sich –
irgendwie nachvollziehbar – nicht mehr gut erinnern. Aber eine kleine Diskussion zwischen dem Angeklagten und dessen Lebensgefährtin ist ihr doch erinnerlich – und: „Er war sicher einmal draußen.“

Es wird unterbrochen. Der Angeklagte berät sich mit seiner Verteidigerin. Die gibt nun an, dass er schon einmal draußen war: um zu rauchen.

Eine zweite Nachbarin hat das Trio ebenfalls vor dem Haus gesehen. Die Causa Straßenpflock hat sie nicht beobachtet, aber das Werfen der Kieselsteine in Richtung des Angeklagten.

Sehr große Gedächtnislücken

Der mutmaßliche Werfer ist der nächste Zeuge. Vom Schotterwerfen weiß er nichts. „Ich weiß auch nicht, dass die Polizei da war“, sagt er aus. Da muss die erstaunte Bezirksanwältin ironisch nachhaken: „Es waren aber schon Sie in der Wohnung und nicht ein anderer Herr X.“ Da ist der Mann immerhin klar: „Ja, das war schon ich.“ Ob er öfter solche Gedächtnislücken habe, will die Bezirksrichterin wissen. Die Antwort ist ausweichend: „Ich habe zu viel gehabt.“ Dabei hatte er mit 1,38 Promille noch den niedrigsten Spiegel – mit Ausnahme des Angeklagten. Dessen Lebensgefährtin kann sich nicht erinnern, ob sie die Wohnung verlassen haben: „Ich war auch ziemlich stark betrunken.“
Die Bezirksanwältin beantragt Schuldspruch. Die Verteidigerin plädiert auf Freispruch: Weil sich die Zeugenaussagen widersprechen, die Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht und kein Schaden entstanden sei. Bezirksrichterin Schwarz verurteilt den Mann zu 60 Tagsätzen á 20 Euro plus 200 Euro Gerichtskosten. Die Erheblichkeitsschwelle sei sehr wohl erreicht. Am Pflock fehlten nämlich mehrere Teile.
Der Angeklagte meldet sofort volle Berufung an.