Die Gegner des geplanten Grazer Murkraftwerks sind mit ihrer Forderung nach einer Volksbefragung zum Verwaltungsgerichtshof gegangen. Der Akt liege seit Ende März bei der nun dritten Instanz auf. Juristen der Plattform "Rettet die Mur" sind überzeugt, dass die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts falsch war. Außerdem gibt es Pläne für Unterschriftensammlungen für eine neue Volksbefragung.
Nur wenige Tage vor der Grazer Gemeinderatswahl hatte das Landesverwaltungsgericht (LVwG) die Katze aus dem Sack gelassen und Anfang Februar mitgeteilt, dass keine Volksbefragung durchzuführen sei. Die Plattform hatte diese mit mehr als 10.000 gültigen Unterschriften bei der Stadt Graz gefordert, war aber abgeblitzt - trotz eines Gutachtens des Verfassungsexperten Heinz Mayer. Einen Tag nach der Wahl begannen die Rodungsarbeiten.
Falsche Entscheidung?
Die Gegner wollen sich jedoch nicht geschlagen geben. Ende März haben sie ihre außerordentliche Revision beim Verwaltungsgericht in Wien eingebracht, teilten sie am Dienstag in einer Pressekonferenz mit. Sie werden dabei von Rechtsanwalt Wolfgang List und seiner Tochter Fiona-Aurelia unterstützt. Die beiden sind sich einig: "Das Landesverwaltungsgericht hat falsch entschieden."
Die zuständigen Juristen hätten sich unter anderem offenbar mit dem Gutachten des renommierten Verfassungsexperten inhaltlich nicht genug auseinandergesetzt, wozu sie aber verpflichtet gewesen wären. Das Gutachten hat das Landesverwaltungsgericht nämlich erst einen Tag vor der öffentlichen Kundmachung der Entscheidung bekommen. Das Gutachten werde vom LVwG gerade einmal mit drei Worten erwähnt: "Das ist eine Katastrophe", urteilte Wolfgang List.
Für Clemens Könczöl von der Plattform "Rettet die Mur" gibt es einen weiteren schalen Beigeschmack, denn der Präsident des LVwG, Gerhard Gödl, ist der Schwager von Christian Purrer, Vorstand der Energie Steiermark, die das Kraftwerk bauen will. Der Sprecher des Gerichts, Norbert Mandl, betonte, dass die Entscheidung nicht der Präsident, sondern der jeweilige Richter zu treffen hatte. Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung obliege dem Richter: "Wir nehmen auf politische Zusammenhänge keine Rücksicht."
Wortlaut im Fokus
List begründete die Revision auch mit dem von der Stadt Graz und dem LVwG kritisierten Wortlaut der Fragestellung. Dieser sei aber sehr wohl simpel und deutlich gewesen, meint List: "Besser kann man die Fragen nicht stellen." Deshalb sieht er die Entscheidung des LVwG kritisch und will Klarheit vom Verwaltungsgerichtshof. Dieser muss in den kommenden Wochen und Monaten entscheiden, ob der Revision überhaupt stattgegeben wird. Wird sie zugelassen, kann entweder der Gerichtshof in Wien direkt entscheiden, ob eine Volksbefragung stattzufinden hat, oder ob des Landesverwaltungsgericht noch einmal mit dem Akt betraut wird - inklusive einer möglichen, oft deutlichen Weisung, ergänzte List. Der Rechtsweg könne aber länger als ein Jahr dauern.
Sollte der Verwaltungsgerichtshof klar entscheiden, dass die bisherige Sichtweise der Stadt falsch war, könne sogar über eine Amtshaftungsklage nachgedacht werden. Die würde sich gegen die Stadt Graz richten und den entstandenen Sachschaden ins Auge fassen.
Romana Ull, Sprecherin des Personenkomitees zum Schutz der Mur, schilderte, dass Überlegungen für eine neue Volksbefragung gewälzt würden: "Wir bereiten das vor, weil wir wollen der Stadt keinen Ruhepolster gönnen." Sie nannte zwei Strategien, die die Stadt momentan ihrer Ansicht nach verfolge, um die Kraftwerksgegner zum Schweigen zu bringen: "Die Stadt stellt sich tot oder geht mit zivilrechtlichen Klagen vor." Sie selbst etwa müsse sich am 8. Mai wegen einer Besitzstörungsklage vor Gericht rechtfertigen. (APA)