Kein Zweifel, der Startenor weiß, wie er sein Publikum vom ersten Takt an in seinen Bann zieht. Mehr als 8000 Fans ließen sich im Freigelände der Grazer Messe beim Konzert des italienischen Weltstars Andrea Bocelli, der auch einige exzellente Gaststars mitbrachte, ins weite Feld der musikalischen Emotionen führen. Im Rahmen seiner gigantischen "Cinema World Tour" bewies der blinde Sänger, dem viele seiner begeisterten Fans in doch etwas zu großer Euphorie stimmlich sogar himmlische Nähe nachsagen, dass er irgendwo da oben zumindest einen wichtigen Verbündeten hat - das Wetter.
Schließlich war es sein einziges Open-Air-Konzert und nach den Wetterkapriolen der vergangene Tage gab es bis zum Vortag schon auch einige Sorgen, dass Blitz und Donner dem mehr als zweistündigen Konzert ein jähes Ende bereiten könnte. Klangmacht und abendliche Himmelspracht ergänzten sich aber auf ideale Weise. Der Tournee-Titel bezieht sich auf das jüngste Album von Andrea Bocelli, "Cinama", mit einer Reihe von Film-Songs, die für ihn eine ganz besondere Bedeutung haben. Etwa "Maria" von Leonard Bernstein.
In kolossaler Cinemascope-Version gehalten war auch die Bühne, mit einer Leinwand im Zentrum und zwei weiteren auf der linken und rechten Seiten. Schließlich mussten rund 100 Musiker und der wuchtige Chor darauf Platz finden. Und dennoch gab es nicht nur mächtige Klangwellen, sondern auch wunderbar sanfte und leise Phasen, etwa beim "Ave Maria". Bocelli hat keinerlei musikalische Berührungsängste, dies brachte ihm ja auch immer wieder den Vorwurf ein, allzu kitschig zu sein.
Aber er kennt, wie viele große italienische Interpreten, die exakte Schnittstelle zwischen Herz und Schmerz, zwischen Glück und Trauer; mitunter trifft er sie mit Routine, meist aber mit Intensität und Leidenschaft, die vor allem nach der Pause einige tief berührende Passagen hatte. Und als er, als eine von drei Zugaben, seinen Welthit "Con te partiro" im Duett mit seiner famosen Landsfrau Iliaria della Bidia erklingen will, war klar. Der Abend bot großes vokales Gefühlskino, das mit "Nesson Dorma" mit Nachhall ausklang.
Werner Krause