Träge, abgeschlafft, phlegmatisch hängen sie herum, die einst glorreichen Helden aus dem Hause Burgund und geben sich ganz dem Motto hin: Wenn nichts passiert, kann man hinterher immerhin sagen, dass nichts passiert ist. Riesige Buchstaben, die das Wort DRACHE ergeben, dienen ihnen als Sitz- und Ruhemöbel. Die Kostüme stammen aus dem Billigfundus, gestört wird der Müßiggang erst, als Siegfried, in ledernem Biker-Outfit, den vorherrschenden Willen zu nichts stört. Er will Kriemhild, er will das Land, er will Eroberungen aller Art.

Wortmetz. So beginnen Friedrich Hebbels "Nibelungen" in der Version von Cornelia Crombholz und schon der Anfang macht klar, dass sie mit dem Original nur wenig im Sinn hat. Zielstrebig und einem Wortmetz gleich bearbeitet sie das Stück massiv von allen Seiten her, entsorgt viel Sprachgeröll im Theatermuseum und vertraut dem Klang der mythischen Triangel Liebe, Intrige, Rache.

Weiter Bogen. Weit ist der Bogen, den die Regisseurin spannt. Am Anfang stehen Slapstick, Klamauk, Entlarvung machtberauschter Wortfuchtler, am Ende Meuchelei, Massaker, Gemetzel.

Abbitte. Vieles dabei wirkt wie eine Abbitte an das Warme, Lebendige, das versteinern musste, damit Steine, erstarrt, verkalkt, zu einem Pseudoleben erwachen.

Doppeldeutig. Darin besteht die Essenz und Gegenwärtigkeit dieser trügerisch-doppeldeutigen Inszenierung, die sich zuweilen sehr leicht gibt, aber mit perfekten Tempo- und Stimmungswechseln präzise auf die Begriffsleichen, Gefühlskalkulanten und Kriegsherren zielt, die unter Ausschaltung des Kleinsthirns über unser Schicksal bestimmen.

Sudelküchen. In der dünnen Höhenluft der Hebbel'schen Dichtung würde das Publikum bald erschöpft zusammenklappen, so aber sieht es sich mit einem zunehmenden Nebel des Grauens konfrontiert, der nicht aus dem Sagenreich stammt, sondern aus dem windschiefen Haus Europa, aus dem kriegswütigen Weißen Haus und aus allen Sudelküchen, in denen es gilt, irgendwelche "heiligen Güter" verteidigen zu müssen.

Technischer Aufwand. Viel technischer Aufwand steckt in dieser ausgeklügelten Inszenierung, viel Figuren-Feinschliff, viel Rhythmik, auch durch die exzellente Livemusik des Bassisten Sasenko Prolic. Und großer Ensemblegeist. Sebastian Reiß ist als Gunther ein skurriler König Zauderbart, Dominik Warta geht als Hagen mit Seelenfrost über Leichen, Martina Stilp wandelt sich als Kriemhild glaubwürdig zur schwarzen Witwe, die, zuweilen etwas zu schrill, nur noch ihre Rachsucht stillen will.

Kern. Den Kern knackt Crombholz durch die Doppelrolle von Jan Thümer. Er spielt den Siegfried nicht als Prototypen des germanischen Saubermanns, er kehrt, nach Siegfrieds Tod, als König Etzel wieder. Nicht als Barbar nach Hebbels Art, sondern als zivilisierter, kriegsmüder Monarch. Ein subtiler Umkehrschub.

Spannende Stunden. Am Ende, nach einem Blutbad in Nitsch-Manier, steht ein, jetzt im Boulevard-Wahlkampf, feines Wort: "Nehmt mir die Krone ab und schleppt die Welt auf eurem Rücken weiter." Na, alsdann: Hau' hin die Krone! Allein: Die Erkenntnis stammt nicht von Faymann, sondern von Hebbel. - Gebührender Applaus nach drei spannenden Stunden.