Der Amokfahrer Alen Rizvanovic ist am Donnerstag im Grazer Landesgericht von einem Schwursenat des Mordes und des versuchten Mordes schuldig gesprochen worden. Dabei bejahten die Geschworenen auch eindeutig, dass der 27-Jährige bei der Fahrt im Juni des Vorjahres, bei der drei Menschen getötet und zahlreiche weitere teils schwer verletzt wurden, zurechnungsfähig war. Die Sprüche fielen einstimmig aus.
Alen Rizvanovic wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und zusätzlich wurde eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt.
Seine Verteidigerin Liane Hirschbrich kündigte eine Nichtigkeitsbeschwerde an, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Die Geschworenen bejahten einstimmig alle Hauptfragen. Damit wurde Rizvanovic darüber hinaus auch in 108 Fällen des Mordversuchs schuldig gesprochen.
Experten üben Kritik
Der bekannte Psychiater Reinhard Haller übt indes Kritik am Rechtssystem. Der Umstand, dass die Geschworenen zu entscheiden hatten, ob Rizvanovic zurechnungsfähig war - zwei von drei Psychiatern waren anderer Meinung gewesen - störe ihn, sagt Haller.
"Es geht hier um eine medizinische Frage", stellt Haller fest - und man würde bei einer Uneinigkeit der Experten in einer solchen Frage wohl üblicherweise nicht Laien zurate ziehen, wenn etwa im Falle einer Operation unterschiedliche Fachmeinungen herrschen würden. Zudem wies der Psychiater darauf hin, dass ein Staatsanwalt die Geschworenen beim heutigen Schlussplädoyer auch dazu aufrief, auf ihr Bauchgefühl zu hören.
Auch Friedrich Forsthuber, Obmann der Fachgruppe Strafrecht in der Richtervereinigung, nahm den Fall zum Anlass, um im "Ö1 Morgenjournal" ein Mal mehr für eine Reform des Geschworenenverfahrens einzutreten. Forsthuber möchte, dass bei Schwurprozessen zukünftig die Geschworenen gemeinsam mit den drei Berufsrichtern die Schuldfrage klären und die Berufsrichter nicht bloß beigezogen werden, um im Anschluss zusammen mit den Geschworenen die Strafe festzusetzen.
Kein Einzelfall
Dass letztlich ein Urteil gegen die Mehrheitsmeinung der Gutachter gefallen ist, ist in Österreich allerdings kein Einzelfall. Das Justizministerium listet für die vergangenen 20 Jahre vier Dutzend ähnlich gelagerte Fälle auf.
Auch die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher und die gleichzeitige Haft sind kein Einzelfall. Knapp 400 Personen sitzen in Österreich mit einem ähnlich gelagerten Urteil in Gefängnissen.
Eine erste Analyse unseres Gerichtsreporters Alfred Lobnik nach dem Urteil:
Stellungnahme von Opferanwalt Bernhard Lehofer:
Alen R. teilnahmslos
Alen Rizvanovic verfolgte die Urteilsverkündung völlig teilnahmslos. Auch danach war er bei der Beratung mit seiner Anwältin Liane Hirschbrich ungerührt, was das Strafausmaß betraf. "Alles, was ihn interessiert hat, ist, ob er da bleiben darf", sagte Hirschbrich. Ihr Mandant wolle nicht zurück in die Justizanstalt Göllersdorf, weil er in Graz seinen Eltern wesentlich näher wäre.
Alen Rizvanovic war im Juni 2015 durch die Grazer Innenstadt gerast. Bei der Amokfahrt waren drei Menschen gestorben, Dutzende weitere wurden teils schwer verletzt. Dem Urteil war mit besonderem Interesse entgegengesehen worden, nicht zuletzt deshalb, weil sich insgesamt vier Gutachter - drei Psychiater und eine Psychologin - bezüglich der Zurechnungsfähigkeit nicht einig waren.
Grazer Amokfahrer zu lebenslanger Haft verurteilt
Hier gibt es den letzten Prozesstag im Live-Ticker zum Nachlesen.