Rekorde sind dazu da, gebrochen zu werden. Jener von Marcel Hirscher aufgestellte dürfte aber einer sein, der für eine halbe Ewigkeit hält. Der beste Alpinskiläufer der Gegenwart holte sich zum sechsten Mal in Folge die große Kristallkugel für den Gewinn des Gesamtweltcups, rangiert damit alleine an der Spitze. Wie bei den Damen Landsfrau Annemarie Moser-Pröll mit ebenfalls sechs. "Geniales Gefühl, Wahnsinn, das Unschaffbare ist machbar geworden", jubelte Hirscher. "Ich war mir nicht bewusst, dass ich die große Kugel holen kann. Herunten habe ich gewusst, dass es zumindest für die Riesentorlauf-Kugel reicht."

Der anders als potenzielle Kugel-Anwärter wie der Norweger Aksel Lund Svindal seit Jahren verletzungsfrei durch die Winter gekommene Hirscher, stellt sich den sportlichen Herausforderungern, meistert sie und peilt neue an. Gerade erst in St. Moritz Doppelweltmeister geworden und mit nun sechs Gold- und drei Silbermedaillen zum zweiterfolgreichsten Skirennläufer der Geschichte hinter Toni Sailer (sieben Titel) aufgestiegen, ließ er am Samstag in Kranjska Gora den nächsten Coup folgen.

Österreichs dreifacher Sportler des Jahres und auch dreifacher Welt-Skifahrer hält bei 44 Siegen im Weltcup - 20 im Slalom, 21 im Riesentorlauf, einem im Super-G und zwei bei City Events (Parallel-Slaloms) - und liegt damit im vom Schweden Ingemar Stenmark angeführten Herren-Ranking (86 Siege) an fünfter Stelle. Er gewann vier Kristallkugeln für die Riesentorlaufwertung und drei im Slalom - mit der Chance auf ebenfalls eine vierte noch in der laufenden Saison.

Zur Vollendung fehlt dem Absolventen der Hotelfachschule Bad Hofgastein, dessen Mutter Sylvia Niederländerin und Vater Ferdinand unterstützend bei den meisten Rennen mit dabei ist, noch eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen. Der Motocross-Fan will dies 2018 in Pyeongchang nachholen und seine Bilanz im Kreise der Fünf Ringe von einer Slalom-Silbernen 2014 in Sotschi/Krasnaja Poljana entscheidend aufbessern.

Konstanz und Stabilität sind echt einzigartig

"Es wäre schön, wenn es klappt. Aber ich werde mich deshalb nicht hineintheatern. Ich werde es versuchen. Wenn's klappt, dann ist es der i-Punkt", sagte der 28-Jährige zuletzt bei der WM in St. Moritz, wo er nicht nur zum zweiten Mal in seiner Karriere Slalom-Weltmeister wurde, sondern auch das ersehnte Riesentorlauf-Gold einfuhr. Die weiteren Goldmedaillen hatte er 2015 in der Kombination sowie 2013 und 2015 im Teambewerb errungen.

Kranjska Gora: Marcel Hirscher fixiert sechsten Gesamtweltcup-Sieg

Vertrauenstrainer Michael "Mike" Pircher ist einer von vielen Stücken im Erfolgspuzzle des Annabergers. "Unglaublich, dass er jetzt über sechs Jahre so eine Leistung bringt. Konstanz und Stabilität sind echt einzigartig, und das verwundert auch mich. Jeder verlangt es, jeder erwartet es. Und er bringt es", betonte Pircher. Hirscher sei auf einem Level "ganz, ganz hoch oben. Ich würde sagen, da gibt es kaum noch eine Steigerung. Schauen wir, dass wir das halten."

Hirscher funktioniert seit Jahren fast immer, unter Druck aber nachweislich besonders gut. So machte er sich nach dem eingefangenen medialen Spott nach seiner Niederlage im WM-Teambewerb gegen einen Belgier Luft ("Tritt von hinten"), krönte sich zum Doppelweltmeister und sprach von Genugtuung: "Es war für mich so, dass ich mir gedacht habe: 'Echt, so wenig bin ich wert für Österreichs Sport?' Das war irgendwie echt eine von hinten mitgeben. Ich habe mich nicht unbedingt wertgeschätzt gefühlt, was meine letzten sechs Jahre betrifft."

Neuer Rekordmann

Hirscher ist der neue Rekordmann im alpinen Ski-Weltcup. Mit seinem sechsten Weltcup-Gesamtsieg in Serie ist der 28-jährige Salzburger nun endgültig der erfolgreichste Skirennläufer der Geschichte. Bisher hatte er sich diesen Titel mit dem für Luxemburg startenden Vorarlberger Marc Girardelli (fünf Weltcup-Gesamtsiege von 1985 bis 1993) teilen müssen.

Alpine Skihelden genießen in Österreich ganz besonders große Bewunderung: Der Tiroler Toni Sailer, der mit seinem Olympia-Gold-Triple 1956 in Cortina d'Ampezzo ein Kapitel alpiner Ski-Geschichte schrieb, und die Salzburgerin Annemarie Moser-Pröll, die es ebenso wie Hirscher auf sechs Gesamtsiege gebracht hat und damit Weltcup-Rekordhalterin bei den Damen ist, wurden im November 1999 als Österreichs "Jahrhundert-Sportler" ausgezeichnet.

Bei dieser Wahl verwiesen Sailer und Moser-Pröll andere rot-weiß-rote Sportlegenden mit Respektabstand auf die Ehrenplätze. Bei den Herren wurde der dreifache Formel-1-Champion Niki Lauda, der 1976 bei einem fürchterlichen Feuerunfall auf dem Nürburgring fast ums Leben gekommen wäre und nur ein Jahr später schon wieder Weltmeister wurde, Zweiter. Thomas Muster, der 1995 als erster und bisher einziger Österreicher in Paris ein Tennis-Grand-Slam-Turnier gewonnen und im Jahr 1996 sechs Wochen lang die Weltrangliste angeführt hatte, folgte auf Rang drei.

Bei den Damen fiel das Votum noch eindeutiger aus. Österreichs einzige Leichtathletik-Olympiasiegerin Herma Bauma (Speerwurf 1948 in London) und die ehemalige Hochsprung-Weltrekordlerin Ilona Gusenbauer waren absolut chancenlos gegen Moser-Pröll, die in den 1970er Jahren den Skirennsport der Damen beherrscht und ihre Karriere 1980 in Lake Placid mit dem ersehnten Olympia-Gold in der Abfahrt gekrönt hatte. Dieser Triumph im Zeichen der Fünf Ringe fehlt als einziger in Hirschers Karriere noch.

Mit dem sechsten Weltcup-Gesamtsieg übertraf der Annaberger nun auch noch Girardelli. Seinen Salzburger Landsmann Hermann Maier, der die große Kristallkugel vier Mal erobert hatte, hatte er bereits im Vorjahr hinter sich gelassen. Der "Herminator" war aber bereits 1998 in Nagano als Doppel-Olympiasieger (Super-G und Riesentorlauf) nur Tage nach seinem "Jahrhundertsturz" in der Abfahrt, mit dem er es sogar auf das Cover des US-Magazins "Sports Illustrated" geschafft hatte, weltweit zur alpinen Ski-Ikone geworden.

Zu diesen zählt längst auch Hirscher, für den Rekorde im Laufe seiner Karriere immer wichtiger geworden sind. "Rekorde sind doch das, was von einem bleibt in der Geschichte, wenn man einmal seine Karriere beendet hat", betonte "Österreichs Sportler des Jahres" wiederholt. Deshalb wird der extrem ehrgeizige und akribisch arbeitende Hirscher schon im kommenden Februar versuchen, mit einem Olympia-Triumph in Südkorea seine Erfolgssammlung zu komplettieren.

Sieg in Slowenien

Marcel Hirscher hat seinen Siegeszug in Kranjska Gora fortgesetzt. Der Salzburger Ski-Star gewann am Samstag bei Nebel und Nieselregen den Riesentorlauf und sicherte sich, da der Franzose Alexis Pinturault schon im ersten Durchgang ausfiel, den Gewinn der kleinen Kristallkugel in dieser Disziplin. Zudem steht Hirscher zum sechsten Mal in Folge als Gewinner des Gesamtweltcups fest.

Der Doppelweltmeister von St. Moritz, der sich bei seinem 44. Weltcup-Sieg vor dem Norweger Leif Kristian Haugen (+0,46 Sek.) und dem Schweden Matts Olsson (0,67) durchsetzte, führt im Gesamtranking fünf Rennen vor Schluss 504 Punkte vor Henrik Kristoffersen aus Norwegen, der nur Elfter wurde. Als nächstbester Österreicher landete in Slowenien Manuel Feller auf Rang vier. Roland Leitinger schaffte mit Platz neun die Qualifikation für das Weltcupfinale in Aspen.