Die Tennis-US-Open warten zu ihrem Abschluss mit einer unerwarteten Finalpaarung auf. Rafael Nadal ist zwar topgesetzt und Weltranglisten-Erster, aber dennoch nicht erster Finalanwärter gewesen. Bei Kevin Anderson war das schon gar nicht der Fall. Geht es nach den Prognosen, wird der Lauf des Südafrikaners eine Stufe vor dem Thron zu Ende gehen, der Spanier Nadal seinen 16. Major-Titel holen.

Dem 31-Jährigen würden dann nur noch drei Grand-Slam-Triumphe auf Rekordhalter Roger Federer fehlen. Heuer hat Nadal bereits die French Open gewonnen, mit dem dort zehnten Titel stellte er einen Rekord auf. Dennoch würde er mit seinem insgesamt dritten Coup in New York nach 2010 und 2013 heuer mit Federer "nur" Gleichstand haben, hat der doch bei den Australian Open und in Wimbledon triumphiert.

Klar ist, dass die beiden Routiniers nach Pausen im zweiten Halbjahr 2016 das Tennis-Jahr dominiert haben. Daran würde auch ein Sieg Andersons gegen Nadal nichts ändern. Sollte Anderson das schaffen, würde er in der Weltrangliste von Platz 32 aus auf Platz zehn vorstoßen und damit sein bisheriges Top-Ranking einstellen. Bei einer Niederlage wäre er immerhin 15. Fix ist mittlerweile, dass der Niederösterreicher Dominic Thiem am Montag mit Rang sieben sein bisheriges Top-Ranking einstellt.

Dreieinhalbjährige Durststrecke

Nadal hatte im US-Open-Vorfeld nicht überzeugt, ist in Montreal (gegen Dennis Schapovalov/CAN) und Cincinnati (gegen Nick Kyrgios/AUS) früh ausgeschieden. Seinen bisher letzten Hartplatztitel holte er vor mehr als dreieinhalb Jahren im Jänner 2014 in Doha in Katar. Seither triumphierte er noch neunmal auf Sand und einmal auf Rasen. Für Anderson jedoch war schon ein Grand-Slam-Halbfinale Neuland. Der bisher letzte südafrikanische Grand-Slam-Sieger war 1982 in Australien Johan Kriek.

"Das bedeutet mir sehr viel. Es ist eine fantastische Saison", sagte Nadal nach seinem Halbfinal-Erfolg am Freitag (Orstzeit) über Thiem- und Federer-Bezwinger Juan Martin del Potro, dem die Kräfte auszugehen schienen. Dem Linkshänder aus Manacor gelang damit auch die Revanche für das verlorene US-Open-Halbfinale vor acht Jahren, damals hatte del Potro anschließend seinen bisher einzigen Grand-Slam-Titel geholt.

Vor Anderson zeigte Nadal Respekt. "Er hat einen unglaublichen Aufschlag und spielt sehr gut auf diesem Belag", erklärte er. Seine 4:0-Bilanz gegen den Außenseiter wird dem Iberer jedenfalls Zuversicht geben. In Toronto 2010, und bei den Australian Open 2015 jeweils auf Hartplatz sowie heuer in Barcelona holte Anderson keinen Satz, immerhin das gelang ihm allerdings 2015 am Saisonende beim Pariser Hartplatz-Hallenturnier.

Chance genützt

Dadurch hat Anderson im bisher größten Match seiner Karriere aber auch keinen Druck. Nach dem gegen den Spanier Pablo Carreno Busta gewonnenen Halbfinale kletterte er zu seinem Team und seiner Frau Kelsey in seine Box, als hätte er bereits den Titel gewonnen. Der 2,03-m-Mann nutzte die Außenseiterchance, die sich durch die Absage zahlreicher Topspieler wie Titelverteidiger Stan Wawrinka, Novak Djokovic und Andy Murray bot.

"Es ist sehr emotional. Es ist ein wunderschönes Gefühl, in dieser Position zu sein und um eine Grand-Slam-Trophäe zu spielen", erklärte Anderson. Mit einem Schlag hat er nun auch seriöse Chancen auf die Teilnahme am World-Tour-Finale im November in London. Da einige Spieler schon ihr Saisonende bekanntgegeben haben, liegt er im "bereinigten Ranking" auf Rang neun. Die Top 8 qualifizieren sich für den letzten Tennis-Saisonhöhepunkt auf der Tour.

Der Deutsche Alexander Zverev hat übrigens trotz seines Zweitrunden-Outs in Flushing Meadows sein London-Ticket wie Nadal und Federer schon fix, Thiem fehlen aktuell nur noch gut 400 Zähler. Da sich die erforderliche Punktemarke aber von Woche zu Woche nach unten verschiebt, ist damit zu rechnen, dass Österreichs Nummer eins spätestens Mitte Oktober seine insgesamt zweite Teilnahme in London nach 2016 fix hat.