Radstar Chris Froome ist aufgrund eines deutlich erhöhten Wertes des Asthmamittels Salbutamol auf dem Weg zum Vuelta-Sieg in Erklärungsnot. In einer Urin-Dopingprobe des asthmakranken Briten vom 7. September sind bei der Spanienrundfahrt 2.000 Nanogramm pro Milliliter der Substanz festgestellt worden, erlaubt sind aber nur 1.000. Dem Rundfahrten-Dominator drohen Sanktionen bis zu einer Sperre.
Am Tag vor dem verhängnisvollen Test hatte der Brite auf der von Stefan Denifl gewonnenen Bergetappe nach Los Machucos viel Zeit auf seine direkten Konkurrenten Vincenzo Nibali und Alberto Contador verloren. Nach der 18. Etappe sprengte der Wert - anders als bei den Tests davor und danach, insgesamt waren es 20 - dann aber deutlich den erlaubten Rahmen. Froome und sein Team hätten sich laut Ex-Profi Michael Rasmussen wohl deshalb für "eine kleine Extra-Dosis Salbutamol" entschieden. Das mutmaßte der Däne, der 2007 wegen Doping-Verdachts im Gelben Trikot aus der Tour genommen worden war und jetzt als Journalist tätig ist, auf Twitter.
Beträchtlicher Imageschaden
Weitere Häme und ein beträchtlicher Imageschaden scheinen Froome jedenfalls sicher zu sein. Im Zuge der vom Radsport-Weltverband (UCI) eingeleiteten Ermittlung muss er den deutlich überschrittenen Grenzwert erklären. Sein Sky-Team verwies auf Froomes langjährige Asthma-Erkrankung. Laut Sky bedeute der auffällige Test nicht, dass Regeln gebrochen worden seien. Man versuche der Ursache für den signifikant erhöhten Wert auf die Spur zu kommen und verwies auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Ernährung als mögliche Erklärungen.
Sein Team um Manager Dave Brailsford waren in diesem Jahr auch schon in die Schlagzeilen geraten, weil eine ominöse Medikamenten-Lieferung per Boten an den früheren Toursieger Bradley Wiggins 2011 nicht hinreichend erklärt werden konnte. Die britische Anti-Doping-Agentur hatte ihre Untersuchungen nach 14 Monaten kürzlich ohne Sanktionen eingestellt.
Froome, der aufkommende Verdächtigungen wegen seiner Dominanz im von zahlreichen Dopingskandalen gebeutelten Radsport stets vehement von sich wies, hat heuer nicht nur die Vuelta, sondern zum vierten Mal auch die Tour de France für sich entschieden. Zum verhängnisvollen Test gab er folgendes zu Protokoll: "Es ist bekannt, dass ich Asthma habe, und ich weiß genau, wie die Regeln lauten. Ich benutze einen Inhalator, um meine Symptome zu behandeln, und ich weiß, dass ich jeden Tag getestet werde, wenn ich das Trikot des Führenden trage".
Rat des Mannschaftsarztes
Seine Asthma-Beschwerden hätten sich bei der Vuelta verschlimmert, "also folgte ich dem Rat des Mannschaftsarztes, meine Salbutamol-Dosierung zu erhöhen", meinte Froome in einer Team-Mitteilung weiter. "Wie immer habe ich mit größter Sorgfalt darauf geachtet, dass ich nicht mehr als die zulässige Dosis verwendet habe." Die UCI habe völlig Recht, "wenn sie die Testergebnisse prüft, und ich werde zusammen mit dem Team alle Informationen, die sie benötigt, zur Verfügung stellen."
Das bronchienerweiternde Salbutamol gilt als das Asthma-Mittel mit der höchsten anabolen Nebenwirkung. Um eine Ausnahmegenehmigung für höhere Dosierungen - wie bei schweren Asthmaverläufen möglich - hat Froome bisher noch nie angesucht.
Im Falle eines Schuldspruches drohen Froome Sanktionen, die von der Aberkennung des Vuelta-Sieges bis zur einer Sperre reichen können. Die UCI wollte sich zum laufenden Verfahren über die Bekanntmachung der auffälligen Probe hinaus am Mittwoch nicht weiter äußern. In einem vergleichbaren Fall war der ehemalige italienische Sprintstar Alessandro Petacchi 2008 für ein Jahr gesperrt worden. Sein Landsmann Diego Ulissi war 2014 mit 1.920 ng/ml Salbutamol für neun Monate aus dem Verkehr gezogen worden.
Froome, der bereits am 20. September über die auffällige Probe informiert worden ist, darf während der Untersuchung weiterhin Rennen bestreiten. Denn er wurde dem Reglement entsprechend wegen des positiven Tests auf die spezifische Substanz Salbutamol nicht vorläufig suspendiert. Für 2018 hat er den Giro d'Italia und die Tour als große Saisonziele ausgegeben.