Die Lage spitzte sich am Dienstag zu und sie bohrte sich tief hinein in den Wiener Salon der Kleinen Zeitung, die Frage aller Fragen in diesen Tagen lautete: Wie wird er sich entscheiden, der österreichische Fußball-Teamchef Ralf Rangnick? Hält der Deutsche der Nationalmannschaft, wie vertraglich festgelegt, auch über die Euro hinaus die Treue oder wechselt er als neuer Trainer zum FC Bayern München? Die Spannung nahm stündlich an Schärfe zu. Am 2. Mai stieg weißer Rauch auf: Rangnick bleibt! Eine Entwicklung, die für viele überraschend kam, aber doch für Freude sorgte.

Video: Mitterdorfer über Rangnick vor der Bekanntgabe

Salon-Gast Klaus Mitterdorfer, Präsident des Fußballbundes, hat es als einer der ersten Österreicher aus erster Hand erfahren, war aber am Dienstag noch auf Spekulationen und sein Bauchgefühl angewiesen. „Ich glaube, dass er selbst noch schwankt“, meinte Mitterdorfer im Gespräch mit „Kleine“-Chefredakteur Hubert Patterer zunächst. Der Nationaltrainer war am Dienstag auf dem Weg nach Kärnten, um am 1. Mai dem Finale des österreichischen Fußballcups in Klagenfurt beizuwohnen. Dort soll der Teamchef seine Entscheidung gefasst haben, dem Nationalteam auch trotz eines lukrativen Angebots des FC Bayern Münchens die Treue zu halten. Die Anwesenden des Kleine-Zeitung-Salons wussten zu diesem Zeitpunkt freilich nichts davon.

Rangnick spricht mit allen

Vieles spräche aber dafür, dass der Verbleib die Oberhand gewinnt, prognostizierte Mitterdorfer schon am Dienstag: „Er nimmt die Spieler mit, er begeistert sie, sie kommen gern zur Nationalmannschaft“.. Darüber hinaus habe er ungeachtet dessen den österreichischen Schlendrian abgeschafft. „Er ist sicher nicht bequem. Er beschäftigt sich mit allen Strukturen. Das ist nicht angenehm, aber es reißt alle mit.“ Auch der Nachwuchs sei Rangnick ein stetes Anliegen. „Er spricht alles an, er beschäftigt uns alle“, praktisch rund um die Uhr, beschreibt der ÖFB-Chef die Szenerie.

Die Zeit arbeite für Österreich, war Mitterdorfer überzeugt. „Je länger es dauert, desto größer ist die Chance, dass er sich für uns entscheidet. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen. Ich habe das Gefühl, dass ihm der Einfluss in Österreich einiges wert ist“, erklärte der heimische Fußballchef in weiser Voraussicht.

Spieler meldeten sich bei Rangnick

Sebastian Prödl vertrat die Ansicht, dass die Führungsspieler wie David Alaba, Marko Arnautovic, Marcel Sabitzer oder Konrad Laimer mit dem Teamchef Kontakt aufnehmen sollten, um ihn darin zu bestärken, beim Nationalteam zu bleiben. „Sie sollten die Cojones haben, den Trainer anrufen und ihn bei der Ehre packen und ihm sagen: ‚Wir haben es gemeinsam geschafft, wir wollen den Weg weitergehen, das ist noch nicht vorbei.‘“ Laut einem Bericht der „Salzburger Nachrichten“ soll das auch passiert sein, Rangnick sei von mehreren Spielern kontaktiert worden sein, die den Teamchef baten, den eingeschlagenen Weg fortzuführen.

Mitterdorfer zeigte sich nach der Entscheidung mehr als zufrieden. „Das bedeutet für den österreichischen Fußball und speziell für die Spieler des Nationalteams einen riesigen Motivationsschub. Es wird sie für die große Aufgabe, die in wenigen Wochen bevorsteht, zusätzlich beflügeln. Es war in meinen Augen keine Entscheidung gegen Bayern München, sondern für Österreich und für das, was er in diesem ersten Jahr mit den Spielern und dem Verband inhaltlich und emotional aufgebaut hat. Wir sind froh und glücklich, dass wir die erfolgreiche und so ermutigende Arbeit mit ihm fortsetzen können“, sagte der ÖFB-Präsident kurz nach Bekanntwerden des Rangnick-Verbleibs.

Doppelrolle und Cup-Finale

Ferner sprach Klaus Mitterdorfer über ...
... die Chancen bei der Euro: „Es ist viel möglich, auch gegen so große Mannschaften wie Frankreich und die Niederlande, aber wir müssen auch auf dem Boden bleiben.“

... David Alaba: „Er will bei der Euro dabei sein, aber wir müssen abwarten.“

... seinen Umgang mit der Doppelrolle als Vizedirektor der Kärntner Ärztekammer und als ehrenamtlicher ÖFB-Präsident sowie die Tatsache, sich als Kärntner im schwierigen Umfeld des ÖFB-Präsidiums durchgesetzt zu haben: „Überleben lässt mich, dass ich die Dinge mit Ruhe angehe. Ich versuche, mich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und möglichst normal zu sein. Aber es erfordert sehr viel Disziplin, es ist kein Selbstläufer.“

... Fußball und Nachhaltigkeit: „Viele Pläne sehe ich sehr kritisch, wenn ich sehe, dass eine WM auf drei Kontinenten (Afrika, Europa und Südamerika, Anm.) oder auch in Saudi-Arabien geplant ist.“

... das Cup-Finale: „Rapid scheint sich in den vergangenen Spielen etwas geschont zu haben. Ob das aufgeht, werden wir sehen, es wird auf jeden Fall spannend.“