Es passt irgendwie ins derzeitige Bild: Nachdem Christian Schoissengeyr das erste Tor für den SK Sturm im Frühjahr erzielt hatte, schied der Verteidiger verletzt aus. Die niederschmetternde Diagnose am Tag nach der niederschmetternden 1:2-Niederlage in St. Pölten: doppelter Bänderriss und Kapselverletzung im Knöchel. Das Saisonende droht.
Womit wir beim Bild sind. Denn wenn es so weitergeht, droht dem SK Sturm bis zum Saisonende der Absturz in die unteren Tabellenregionen. Damit hatte noch Ende Oktober niemand auch nur im Entferntesten gerechnet. Am 15. Oktober 2016 hatte man gerade den besten Saisonstart der Vereinsgeschichte gefeiert. Nur folgte auf diesen der schlechteste Rückrundenauftakt seit Einführung der Drei-Punkte-Regel, erst einmal zuvor (2008/2009) setzte es drei Niederlagen zum Auftakt.
Nur drei Siege seit 15. Oktober
Damit nicht genug: Die schlechte Phase der Grazer begann ja nicht erst vor drei Wochen. Wurden in den ersten elf Runden, bis 15. Oktober, nur zwei Spiele nicht gewonnen, durften sich die Grazer seither nur drei Mal über drei volle Erfolge freuen. In Heimspielen wartet man seit diesem 15. Oktober und dem 1:0-Erfolg über Ried auf drei Punkte. Eine ernüchternde Bilanz für einen Verein, der nach 18 Spieltagen noch an der Spitze war.
Verflogen ist die Euphorie, die zu Saisonbeginn Einzug gehalten hatte. Resignation macht sich breit, auch Frustration. Dabei war eines der Ziele, die sich Geschäftsführer Günter Kreissl vor der Saison gesetzt hatte, die Menschen für Sturm zu begeistern. „Von diesem Weg kommen wir gerade schwer ab“, sagt er. Und: „Elf Punkte aus zwölf Spielen. Das ist die Bilanz eines Abstiegskandidaten.“
Die Leichtigkeit ist bei Sturm verschwunden
Das, sagt er selbst, sei nicht einmal übertrieben. Denn, einfache Mathematik: Wenn Ried und Mattersburg nach 23 Spielen bei 20 Punkten halten, sind elf Punkte aus zwölf Spielen nicht ausreichend. Schon gar nicht für den Kader von Sturm, nicht für die Erwartungen, die ein Großklub in Österreich hat. Die Leichtigkeit, mit der die Grazer zu Beginn der Saison die Spiele gewonnen haben, ist verschwunden. Ebenso wie die Selbstverständlichkeit und vor allem der unbedingte Wille, nach dem ersten Tor ein zweites zu schießen. Und nach dem zweiten Tor ein drittes.
Mit dieser Art von Fußball, angeführt vom im Winter abgewanderten Uros Matic, war die Stimmung in Liebenau begeistert und begeisternd. Alles lief für die Grazer, Sturm war Gesprächsthema in der Stadt. Leise, ganz leise, wurde auf der Straße auch vom Meistertitel gesprochen. Nach drei Niederlagen in Folge – zwei bei Mannschaften, die sich tatsächlich im Abstiegskampf befinden – ist das jetzt endgültig Vergangenheit. Am Wochenende kommt Altach nach Graz, zwar nicht mehr als Tabellenführer, aber immer noch als Team der Stunde. Die Vorarlberger haben gerade gegen jene Austria klar gewonnen, gegen die Sturm klar verlor.
Eine Art Entscheidungsspiel gegen Altach
Bei Sturm ist man sich trotzdem einig: Gegen die Altacher müssen drei Punkte her. „Wenn die Leistung gegen Altach nicht stimmt“, sagt Kreissl „bin ich bereit umzurühren.“ Soll heißen: Dann will der Geschäftsführer Sport alles hinterfragen, laut und kritisch. Begonnen bei seiner eigenen Person bis hin zum Trainerteam und der Mannschaft. Dabei, sagt Kreissl, wäre die Vorbereitung „gut verlaufen“. Nur dass von all den Mühen, die in den Trainingswochen seit Anfang Jänner investiert wurden, nichts zu sehen ist. Kreissl: „Hätten wir erst am 5. Februar begonnen, es würde nicht anders ausschauen. Das ist der Worst Case.“
Noch schlimmer: So richtig scheint keiner zu wissen, woher der Leistungsabfall kommt. Kreissl, aus Wiener-Neustadt-Zeiten an Duelle in den unteren Tabellenregionen geübt, weiß aber: Es wird „eine extrem kämpferische Leistung“ nötig sein, um das Tief zu überwinden. Womit Punkt eins gefunden wäre, den es rasch zu ändern gilt: Gegen St. Pölten gab es gerade zwei Spieler der Startaufstellung mit positiver Zweikampfbilanz. Auch gegen Mattersburg und die Wiener Austria hatten die Sturm-Akteure tendenziell öfter das Nachsehen im Duell Mann gegen Mann. Kampf sieht anders aus, möchte man meinen.
Es fehlen Erfolgserlebnisse
Läuft man dem Gegner hinterher, ist die Körpersprache der Spieler oft das erste Indiz. Positiver Aspekt aus dem St.-Pölten-Spiel: In der ersten Stunde in Niederösterreich zeigten alle Sturm-Spieler, verglichen mit dem 0:4-Desaster gegen die Austria, schon eine verbesserte Körpersprache, sagt Kreissl. Aber, so lautet seine Diagnose nach 94 Minuten und der nächsten Niederlage: „Die 30 Minuten danach haben alles wieder entwertet.“
Was es noch braucht, klingt wie eine Plattitüde, ist aber wahr: Erfolgserlebnisse. Ein gelungenes Dribbling hier, ein feiner Doppelpass, eine gelungene Aktion da – motivierende Worte und die damit einhergehende positive Energie von der Trainerbank bis hin zur Fan-Tribüne inbegriffen. Und das Bewusstsein, dass weniger in dieser Situation mehr sein kann. „Du gewinnst in so einer Phase eben nicht spektakulär 4:0, sondern 2:1. Und wahrscheinlich schießt der Gegner in der 93. Minute noch an die Latte.“