Retro liegt bekanntlich im Trend und Studenten sind bei ihrer Unterkunft nicht besonders anspruchsvoll. Die sechs Etagen im Studentenwohnheim über dem KIZ RoyalKino in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße 10 (unter Studenten als 10er-Haus bekannt) waren zuletzt aber eindeutig nicht mehr zeitgemäß. "Sieben Doppel- und Einzelzimmer pro Etage mit nur einem Bad und dem Charme der 70er-Jahre", schildert der Architekt Martin Ellmer vom Planungsbüro Kaltenegger & Partner die Ausgangslage vor einem Jahr. Der Wunsch des Heimträgers waren Einbettstudios mit jeweils eigener Nasszelle und Miniküche - und das alles ohne allzu großen Umbau, also innerhalb der vorgegebenen rund 15 Quadratmeter großen Zimmer.
Dass Kaltenegger & Partner den Zuschlag für den Umbau erhielten, hat wohl wesentlich damit zu tun, "dass wir auf engstem Raum tatsächlich alles untergebracht haben, sogar einen Esstisch, an dem vier Personen Platz haben", sagt Ellmer. Dass sein Kollege Erwin Kaltenegger selbst einst Bewohner des Kolpinghauses war, erleichterte den Zugang zum Thema zusätzlich. Kaltenegger konnte die Räume faktisch so gestalten, wie er sie sich schon zu seiner Studentenzeit gewünscht hätte.
Die Arbeitsweise der beiden Planer ähnelte dem Schiffskabinenbau "oder der Planung eines Eisenbahnabteils", wie Ellmer sagt. "Schränke bis oben, Bettzeugladen, ausklappbare Möbel, keine Nische bleibt ungenutzt", schildert er seinen Zugang.
Wie viel Mehrfachnutzen in jedem Detail steckt, zeigt sich schon an der Garderobe, die eigentlich eine Leiter für bzw. zu den Oberschränken ist: Mit den eingeschobenen Möbelboxen wird sie gleichzeitig als wertvoller Stauraum genutzt.
Eine raumhohe Kreidelack- und Magnettafel neben einem zwei Meter hohen Spiegel hat sich als besonders hübsches Gestaltungsdetail entpuppt, das aus jedem Raum etwas Individuelles macht: "Von mathematischen Formeln über Skelett-Skizzen bis zu Partyfotos habe ich hier binnen kürzester Zeit schon alles gesehen", sagt der Planer.
Eine Küchennische mit zwei Herdplatten, einer Mikrowelle und Gefrierfach für "zumindest zwei Pizzen" ist sich auch noch ausgegangen. Die Erfahrung nach Bezug des Wohnheims zeigt: Hier wird tatsächlich gekocht, trotz Vollpension im Haus.
Starke Signale
Zur Verjüngungskur des 10er-Hauses gehört auch ein intensives Farbkonzept: Blau, Grün, Rot, Orange, Gelb und Lila sorgen für gute Laune. Für die bunten Böden und die (fugenlosen) Dusch-Wände wurde ein Kautschukbelag gewählt. Der Rest der Zimmer ist intelligenter Möbelbau. Die farbkräftige Schiebetür ins Badezimmer passt zum allgemeinen Platzsparprogramm.
Um nur ja keinen Zentimeter Raumgröße zu verschenken, wurden wie im Kabinenbau eigene Trennwände für den Bereich im Zimmer zwischen Bad und Gang entwickelt, die bei nur 25 Millimeter Stärke raumhoch und formstabil sind.
Zusätzlich bekam das gesamte Gebäude eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung und ein eigenes Solarkraftwerk auf dem Dach.
Der erste Eindruck
Für einen freundlicheren Empfang im Kolpinghaus wurde auch gesorgt: Das Foyer im Haupthaus in der Adolf-Kolping-Gasse, das vor dem Umbau nicht einmal einen Windfang hatte, wurde mit einer grünen Wand als Eyecatcher versehen. Ein Stück Rasenteppich, ein Teddybärleuchter und bunte Mehrzweck-Sitzmöbel sorgen seit dem Herbst des Vorjahres für ein neues Erscheinungsbild.
Als Erfolg erwies sich auch die Einrichtung der "StreBar": Was früher einmal ein "öd möblierter Raum mit Kaffeeautomaten" war, wie es Ellmer schildert, ist heute eine Studenten-Bar, bei deren Gestaltung sich die Planer von der schummrigen Wohlfühlatmosphäre irischer Pubs und Wiener Cafés inspirieren ließen. "Möbel und Leuchten haben wir fast alle bei Altwarenhändlern zusammengesucht."
Die größte Herausforderung beim Umbau war der Zeitplan. "Wir mussten binnen zwölf Wochen während der Ferien fertig werden", sagt der Planer. Tatsächlich konnte das Haus rechtzeitig zu Semesterbeginn im Herbst 2014 wieder bezogen werden. "Und es wird alles gut angenommen", berichtet Kolpinghaus-Geschäftsführer Hermann Krogger: "Die Farben, die Schiebetür zum Nassbereich, Kochnische und Pinnwand - das kommt alles sehr gut an."