Es ist ein Privileg, sich einer Sache unvoreingenommen nähern zu können. Gut also, dass es noch immer Menschen gibt, die keine Ahnung von Dosen haben, die angeblich Flügel verleihen, und die die malerische Landschaft rund um Fuschl am See nicht sofort mit einer Erfolgsgeschichte namens Red Bull verbinden. Solchen Menschen kann es passieren, dass sie auf der Bundesstraße zwischen Salzburg und Bad Ischl plötzlich haltmachen, weil sie aus den Augenwinkeln etwas wahrgenommen haben, bei dem man einfach genauer hinschauen muss: zwei schwarze Vulkankegel, die scheinbar über dem Wasser schweben und aus denen etwas Bronzefarbenes in Richtung Straße herausgaloppiert. Was ist hier Bauwerk und wie viel schon Natur? Und wozu das alles?

Auf der Suche nach zweckdienlichen Hinweisen nehmen diese unbedarften Glückspilze die nächstbeste Einfahrt, die man als Tor zu diesem Wunderland vermuten kann, finden sich in einer Parklandschaft wieder, in der Bögen aus Wollziest, Lavendel, Gräsern und Purpurglöckchen zu den Wasserbauten und hinein in den großen Kegel führen, wo sie endlich eine kompetente Dame fragen können: "Ist das hier ein Wellnesshotel? Können wir ein Zimmer buchen?" Firmennamen oder Logos sind auf dem Gelände nämlich nicht zu finden.

Überraschungseffekt

Die freundliche Dame im Red-Bull-Headquarter ist an Missverständnisse dieser Art mittlerweile gewöhnt, geht dann vermutlich in ein Hinterzimmer, um eine der blau-silbernen Dosen zu holen, die alles erklären, und komplementiert die Gäste schließlich freundlich, aber bestimmt aus dem Haus, das eine Firma ist.

Willkommen in einem Bürogebäude, das jederzeit auch als eleganter Wellnesstempel durchgehen könnte. Irgendwie ist hier alles anders. Schon die Bauzeit. Die Angaben variieren zwischen acht und 10 Jahren, kommt darauf an, wie weit man zurückdenkt. Nach vorne blicken, völlig losgelöst von Budgetlimits und dem Denken in Schubladen und Normen, durfte man auf diesem Gelände ohnehin immer. Dafür sorgte Bauherr Dietrich Mateschitz schon mit der Wahl seines Planers, des Osttiroler Bildhauers Jos Pirkner, mittlerweile 87 Jahre jung und damit längst aus dem Alter heraus, in dem man sich für andere verbiegt.

Gesamtkunstwerk

Pirkner und Mateschitz trafen erstmals Ende der 1990er aufeinander, als der Unternehmer Bilder des Künstlers kaufte. Was sich daraus entwickelte, beschreibt Pirkner so: "Ich sage ,Herr Mateschitz', aber er ist mein Freund." Ein Freund, der seit vielen Jahren immer wieder sagt: "Jos, mach weiter." Weiter mit dieser Idee, alles was das Unternehmen Red Bull repräsentiert, in ein Gesamtkunstwerk hineinzupacken. Corporate Identity als dreidimensionales Bild zum Staunen, als Erlebnisraum - kraftstrotzend, energiegeladen, selbstbewusst, und damit nah am Kern der Marke.

Das Bild, das Pirkner dabei von Anfang an vor Augen hatte und das seinem Auftraggeber sofort gefiel: "Ein Vulkan - es gibt nichts Energiegeladeneres als einen Vulkan. Daraus strömt die Lava in Form der Bullen." Dieser Energiefluss von innen nach außen zieht sich durch das ganze

Konzept, prägt den gesamten Entwurf. Wenn Pirkner durch sein Meisterwerk führt, dann lässt er einen das auch gleich einmal fühlen. "Sehen Sie: Stiege, Wand und der Ausbruch vom Vulkan - Raum, reiner Raum", sagt Pirkner bei der Annäherung an den "großen Vulkan" . Und ein Stück weiter im "kleinen Vulkan" dann das Erlebnis einer Piazza, eines runden Zentrums, von dem Gassen hin zum Licht am Kegelrand und damit hinein in die Landschaft führen. Innen und außen werden eins.

Der Bildhauer als Architekt, bei Pirkner beginnt das mit der Frage: "Was ist der Mensch? Was inspiriert ihn zum Erfolg für ein Unternehmen?" Damit sind wir bei Räumen, die Ruhe zulassen, eine Ruhe, aus der heraus man "richtig impulsiv" werden kann, wie Pirkner meint. Fazit: Die Menschen, die in den "Vulkanen" arbeiten, sind für Besucher nicht zu hören und nicht zu sehen, haben bei ihrer Arbeit aber immer ein Bild von einer Landschaft vor Augen, sind an ihrem Bürotisch faktisch im überdachten Außenraum.

Gefühl für Proportionen

Der Gipfel des Ganzen ist das Büro im bzw. rund um den offenen Krater des großen Vulkans, durch den es sechs Meter tief hineinregnen und -schneien kann: Durch eine Glassäule hat man vom Schreibtisch aus den direkten Blick auf das Naturspektakel.

Glas, Stein und Metall sind die Materialien, aus denen Pirkner sein Gesamtkunstwerk schuf, bei dem sich der Bildhauer rein von seinem Gefühl für Proportionen leiten ließ. Eine runde Sache, wie man so schön sagt, nicht von ungefähr ist hier alles radial angeordnet, konzentrisch und aufstrebend. Die Details, die dabei herauskamen, waren schlichtweg notwendig. "Sie verstehen?", fragt Pirkner, indem er es einen einfach fühlen lässt, und sagt es mit einer Begeisterung, der man sich nicht entziehen kann: "Das ist doch schön?!"