Machen wir uns nichts vor: Der Grund, warum der Skisport im Moment in den USA so viel Aufmerksamkeit bekommt, ist Golf. Lindsey Vonn, die Freundin von Tiger Woods, hat dank ihrer Beziehung den Sport auf eine andere Ebene gehoben. Das ist eigentlich schade – und sexistisch obendrein.

Ganz abgesehen davon wäre es im Moment – rein sportlich betrachtet – wohl eher umgekehrt: Tiger Woods, der Freund von Lindsey Vonn – Rekordsiegerin im Weltcup, Olympiasiegerin, Gesamtweltcupsiegerin. Und mit 30 will sich die adrette Dame aus Vail in ihrer Heimat die Krone aufsetzen.

Das doppelte Lottchen

Das hat sie mit Mikaela Shiffrin gemein: Die ist zwar erst 19, kommt aus Eagle bei Vail und ist der neue Liebling. Ihr Plan deckt sich aber mit dem von Lindsey Vonn: Die WM-Krone in der Heimat soll es sein. Es trifft sich gut, dass sich die beiden (noch) aus dem Weg gehen – sportlich. Vonn ist nach ihren Verletzungen in Riesentorlauf und Slalom kein Thema, Shiffrin verzichtete auf den noch zu Saisonbeginn geäußerten Plan, auch im Super-G anzugreifen.

Und so gehören die ersten WM-Tage wohl Lindsey Vonn. Einen Tag nach der Super Bowl hofft sie, dass die Öffentlichkeit auch nach Vail blickt. Was helfen soll: der gebrochene Rekord von Annemarie Moser-Pröll. „Amerika mag Rekorde. Vielleicht hilft das, mehr Aufmerksamkeit zu kreieren“, sagt Vonn. Für sie war der Rekord ein ganz besonderer Schritt, nach zwei Jahren des Leidens und Kämpfens. „Ich habe genau da weitergemacht, wo ich aufgehört habe“, sagt Vonn nun, „vielleicht bin ich sogar ein bisschen besser.“

Das soll gar nicht als Drohung verstanden werden, es ist ihr Trumpf, wie auch Bode Miller meint: „Sie ist physisch einfach überlegen“, erklärte er in der Denver Post und streute Rosen: „Der Rekord ist eine Sache. Aber es geht auch darum, wie sie die Kanten einsetzt, welchen Schwung sie fährt. Sie hat die Art und Weise geändert, wie Frauen an den Sport herangehen. Das ist wahre Nachhaltigkeit!“

Neue Leidensfähigkeit

Vonn hat tatsächlich die Leidensfähigkeit und den Kampf auf eine neue Ebene gehoben - zu sehen auch heute Abend auf „Servus TV“ in der Dokumentation ihres Comebacks („The Climb“, 21.50 Uhr). Der nächste Gipfel soll die Heim-WM werden, mit zwei Goldenen wie einst in Val d’Isère. Und hätten diese zwei Goldenen vor einigen Jahren noch das Karriereende bedeutet, so ist Vonn nun sicher, zumindest bis 2018 weiterzumachen. „Außer der Schmerz ist zu groß. Oder die Freude fällt weg. Oder ich verletze mein Knie noch einmal – denn dann ist es definitiv vorbei.“

Für Shiffrin hingegen ist diese WM zwar nicht der Anfang, aber die Zukunft ist noch lang. Immerhin tritt sie in ihrer Heimat als regierende Slalom-Weltmeisterin und Olympiasiegerin an. „Ich bin einfach nur aufgeregt“, meinte sie, um Fragen nach Nervosität gleich eine Abfuhr zu erteilen. Mit Verweis auf das bisher einzige Weltcuprennen auf der Raptor-Piste, in dem sie Platz zwei im Riesentorlauf belegt hatte. „Es war das einzige Rennen der Saison, bei dem ich aufgewacht bin und nicht eine Unze Druck auf den Schultern gespürt habe. Ich hatte einfach nur Spaß“, sagt sie. Und den hat sie. Sie genießt den Heimvorteil, schläft daheim, kocht selbst oder geht in die Restaurants essen, die sie auch normal besucht. Das Ziel bleibt aber dasselbe wie bei ihrem großen Vorbild: Shiffrin will die Königin der WM werden. Oder zumindest die zweite Königin, wenn Lindsey Vonn sich wirklich schon die Speed-Krone aufgesetzt hat.

MICHAEL SCHUEN