Ein Aufstieg im Cup zum Saisonstart. Geht man mit solch einem Erfolgserlebnis beruhigter in die Saison?

GERHARD GOLDBRICH: Beruhigter nicht, aber es war eine gewisse Standortbestimmung, die wir souverän gemeistert haben. Jeder sprach von einem Pflichtsieg gegen Hartberg. Aber auch diesen muss man erst machen. Es war ein schönes Zeichen der Mannschaft.

Es wird immer von der Sturm-Familie gesprochen. Sind Sie sozusagen der "Pate"?

GOLDBRICH: Einen Paten gibt's nur bei der Mafia.

Formulieren wir es anders. Sind Sie das Oberhaupt?

GOLDBRICH: Ich sehe mich in Summe nicht als Oberhaupt. Aber in jedem Unternehmen braucht man eine führende, aber auch schützende Hand. Diese Funktion muss man als Geschäftsführer auch ausfüllen. Grundsätzlich ist es bei Sturm Graz so, dass ich die Richtung vorgebe oder sie mit dem Team erarbeite, zwischen allen Bereichen fungiere. Das Patriarchat, wie es früher einmal war, ist vorbei. Es kann kein Verein und auch kein Unternehmen mit einer One-Man-Show funktionieren.

Aber Sie sind eine One-Man-Show . . .

GOLDBRICH: . . . nein, es gibt keine One-Man-Show. Ich kann das gut beurteilen, weil ich sieben Tage die Woche im Büro bin und viele Mitarbeiter auch sieben Tage die Woche hier sind. Es ist also keine One-Man-Show. Wenn man für etwas lebt, dann ist man stetig im Einsatz.

Sie leben für Sturm?

GOLDBRICH: Das würde ich so sehen - mit allen Vor- und Nachteilen. Es sieht alles rosig aus, wenn es läuft. Dann bin ich in meiner Funktion ohnehin eher im Hintergrund und das ist auch gut so. Dann sollen ja die Gladiatoren und Trainer im Vordergrund stehen. Wenn es schlecht geht, stehe ich dann in der ersten Reihe. Aber das wusste ich, als ich den Job angegangen bin. Ich denke, dass unser Weg, den wir begonnen haben - und für den wir viele Prügel erhalten haben - langsam Erfolg bringt.

Verbrennen manche Mitarbeiter nicht auf dem Weg zum Erfolg? Sollte man nicht breiter aufgestellt sein?

GOLDBRICH: Mit allem, was wir jetzt bereits machen, mit unseren vielen Ideen und den Produkten, dir wir auf dem Markt gebracht haben, merken wir natürlich, dass wir am Limit sind und teilweise schon drüber.

Es fehlt also das Geld für mehr Leute.

GOLDBRICH: Wir kommen aufgrund der wirtschaftlichen Situation in der Region Steiermark sehr schwierig über das 11-Millionen-Euro-Budget drüber. Da haben wir Grenzen.

Ist es nicht auch die Aufgabe des Vorstandes, neue potente Sponsoren für Sturm zu gewinnen?

GOLDBRICH: Natürlich auch, das ist unser aller Aufgabe. Aber wenn es die wirtschaftliche Situation derzeit nicht zulässt, müssen wir im operativen Bereich damit leben, was wir haben.

Ihnen wird mitunter Ihre Verhaberung vorgeworfen. Das wäre in diesem Fall ein Vorteil.

GOLDBRICH: Zwischen einer Verhaberung und einer guten Beziehung ist für mich ein großer Unterschied. Gute Kontakte und ein großes Netzwerk sind doch nur für den Verein von Vorteil. Bundesländer wie Oberösterreich oder Niederösterreich sind finanziell nicht schwächer als die Steiermark, und deren Vereine schaffen kein 11-Millionen-Budget.

Sturm arbeitet also gut?

GOLDBRICH: Das sollen andere beurteilen. Aber wir sind auf jeden Fall fleißig.

Was hat sich seit Ihrem Amtsantritt am 1. Dezember 2012 entwickelt? Wo gibt es noch Aufholbedarf?

GOLDBRICH: Wir haben sowohl im sportlichen Bereich als auch im Servicebereich viele Fortschritte gemacht. Aufgrund der fehlenden Ressourcen sind wir aber noch nicht dort, wo wir hin wollen. Es ist schön zu sehen, dass sich alle im Verein - Spieler, Trainer, Mitarbeiter - weiterentwickelt haben. Es dürfen und müssen Leute Verantwortung übernehmen, was vorher nicht der Fall war. Das Unternehmen ist sehr gut strukturiert.

Was muss Sturm für den nächsten Schritt machen?

GOLDBRICH: Viele schwelgen noch immer in der Vergangenheit bei Champions League und der Gruppenphase. Da liegt allerdings ein Konkursverfahren dazwischen, wir haben inzwischen ein anderes Budget. Es muss in die Köpfe rein, dass wir Spieler ausbilden, junge Talente entwickeln oder zu uns holen und wieder verkaufen müssen. Sturm ist dazu verdammt, dass man am Spielermarkt verkauft. Nur so kann der SK auch Sturm weiterkommen.

Wie schwierig ist das? Die Amateure haben eine dünne Personaldecke.

GOLDBRICH: Das kommt auf den Blickwinkel an. Die Lovrics, Schnaderbecks, Rosenbergers, Schmerböcks und Grubers trainieren in der Kampfmannschaft mit. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Und weil viele oben trainieren, "fehlen" sie bei den Amateuren. Dadurch entsteht eine Lücke. Man muss die Amateure und die Kampfmannschaft als gesamtheitlichen Kader sehen. Unser Ziel muss es sein, dass wir wieder Spieler wie einen Basti Prödl rausbringen, wie es Franco Foda schon geschafft hat.

Wir sind bei den Transfers angekommen. In der jüngsten Vergangenheit hatte man eine gute Hand bei geholten Spielern - zum Beispiel bei Djuricin, Piesinger, Spendlhofer oder Schick. Haben Sie Ihre Haberer angerufen und nach Spielern gefragt?

GOLDBRICH: Bei Sturm gibt's nur wir.

Wer sind "Wir"?

GOLDBRICH: Im ersten Jahr waren die Offenbachers, Hadzics und Djuricins notgedrungen Alleingänge, dann haben wir die Scouting-Abteilung aufgebaut. Aber bei allen Transfers war immer der jeweilige Cheftrainer involviert. Wir würfeln nicht. Bei allen Transfers bleibt der erste Markt unser Verein, der zweite Markt sind junge Österreicher, dann kommen alle weiteren Spieler.

Es gibt aber auch andere Beispiele wie Barbaric, Todorowski oder Oschtschipko.

GOLDBRICH: Das stimmt. Aber wenn bei einem Umbruch nun 25 neue oder hochgezogene Spieler an Bord kommen, kannst du kaum eine 100-Prozent-Quote haben. Außerdem passt nicht jeder Spieler in jede Mannschaft. Wir versuchen, im Vorfeld alles genau abzuklären. Das gelingt zum Großteil auch. Es kann immer passieren, dass ein Spieler nicht einschlägt.

Wie steht Sturm wirtschaftlich da?

GOLDBRICH: Sturm steht in Summe sehr gut da. Wir sind schuldenfrei, haben positives Eigenkapital, haben Liegenschaften und werden auch ohne Europacup das Geschäftsjahr 2014/15 mit einem Gewinn abschließen.

Was darf man von Sturm in dieser Saison erwarten?

GOLDBRICH: Salzburg und Rapid werden sich ein Duell an der Spitze liefern. Die Austria wird kommen. Ich sehe uns in der Jägerrolle. Und wenn wir gut treffen, sind wir vorne dabei. Wir haben den Anspruch auf die Top drei.

Ist die Stimmung in und rund um den Klub besser?

GOLDBRICH: Durch die sportlichen Erfolge der Kampfmannschaft ist die Selbstsicherheit zurückgekommen. Durch diese Stärke strahlst du Sympathie aus. Ohne Erfolg wirst du 24 Stunden torpediert. Wir haben aber jetzt eine Mannschaft, die sich zerreißt, alles gibt und guten Fußball spielt. Das ist ein wesentlicher Stein im Mosaik.

INTERVIEW: PETER KLIMKEIT, MICHAEL LORBER