Kaisers Geburtstag: Wenn das kein Grund zu feiern ist! Einen österreichischen Kaiser erkennt man daran, dass er Franz heißt. Und dann hat er auch noch irgendeinen Zunamen, Joseph, Klammer (Winterkaiser) oder eben Beckenbauer (Sommerkaiser). Gefeiert wird in der Kaiservilla in einem der Sommersitze, sei’s im lieben, lieben Ischl, sei’s in Kitzbühel – in „Oachkatzelried“, wie es des Kaisers Hofpoet Rosendorfer nannte), Hauptsache, es gibt des Kaisers Lieblingsgericht, die Weißwürste.

Während es in allen anderen europäischen Monarchien – ob Großbritannien, Spanien, Schweden, Norwegen, die Niederlande, Belgien nur noch Könige und Königinnen in Königshäusern gibt, haben wir noch einen Kaiser! Aber der Aufgabenbereich von Königen und Kaisern deckt sich weitgehend: Sie sollen nett, freundlich, bescheiden sein, lieb reden, dann und wann dem Kanzler die Hand schütteln, an Nationalfeiertagen die Nationalhymne singen, gute Ratschläge geben, sich parodieren lassen, winken und ein bisserl was aus dem Privatleben preisgeben – im Grund immer dieselben Geschichten: Hochzeiten, Schwangerschaften, Geburten, Todesfälle. Komödien und Tragödien eben. Bei einem Kaiser können selbst Weihnachtsfeiern zu neuem Leben führen, was der Regent mit den bekannten Worten "Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut" quittiert. Bei den Unterhaltszahlungen wird er sich nicht lumpen lassen.

Standesgemäß stammt die Braut unseres Kaisers aus Bayern. Von Bayern spricht der Kaiser daher prinzipiell nur in den höchsten Tönen. Jo mei. Umgekehrt könnte der Kaiser trotz runden Geburtstags gar keine rechte Feierlaune haben, sondern im Gegenteil tief trauern, da ihm doch gerade sein Sohn gestorben ist, in jungen Jahren, nach schwerem Leiden. Die Tragik der Kronprinzen! Da kann auch ein Kaiser verzweifeln und seufzen: "Mir bleibt auch nichts erspart!"

Wollen wir aber das Privatleben unseres guten Kaisers Franz (und auch seine selbst geschriebenen Bücher – "Einer wie ich" – und selbstbesungenen Schallplatten – "Gute Freunde soll niemand trennen") den Adabeis überlassen und lieber die großen Leistungen des Feldherren und Strategen für sein Land würdigen. Denn von Gottes Gnaden wird in dieser Branche heute niemand mehr Kaiser: Dass einer im weißschwarzen Nationalgewand jegliches Spielgeschehen antizipiert, aus dem Stand Vierzig-Meter-Pässe auf den Rist des (alten) Müllers zirkelt und so relaxed, souverän, elegant, scheinbar ohne jede Mühe seine Mannen am Platz dirigiert, das ist Ergebnis von beinharter Knochenarbeit. Gott stellt nur das Talent dazu bereit.

Nur so hat unser Kaiser alles erreicht, was man erreichen kann. Alles Erdreich war ihm Untertan! Zuerst wurde er Weltmeister in der noch belasteten Stadt München anno 74 im finalen Duell gegen einen Johan, der es nur bis zum König brachte, als playing Captain, ohne sein weißes Shirt zu beschmutzen (das überließ er seinen Soldaten Vogts, Schwarzenbeck oder Hölzenbein…) und keine dreißig, Jahre nachdem sich sein Land auf der ganzen Welt für immer unmöglich gemacht hatte. Jo, mei! Dann zog sich der Feldherr auf den Feldherrenhügel zurück und wurde non-playing Captain. Zuerst noch ein Tiefschlag, eine bittere Niederlage im fernen Mexiko (anno 86; seither fragt man sich in Monarchenkreisen: Was macht ein Kaiser in Mexiko, wo es doch hier so schön ist?)

Aber was einen Kaiser nicht umbringt, das macht ihn stärker! Im Kaiser steckt der Zar, und "Zar" wiederum kommt von Caesar. Deswegen wusste der Kaiser, er muss zur Krönung nach Rom, ins Heilige Römische Reich deutscher Nation gewissermaßen. Weder Maradona, noch die römischen Legionen, noch der Schlachtgesang von Gianna Nannini („Voglio vincere“) konnten ihn aufhalten: Der Estate italiana war seiner. Das klingt jetzt vielleicht ein wenig abgedroschen, aber man kann es nicht anders sagen: er kam, sah, siegte – und wurde wieder Weltmeister, diesmal im Nadelstreif (anno 90). Und während alles jubelte und tobte, schritt der Kaiser, die Hände im Hosensack, ruhig und in sich gekehrt über den heiligen Rasen des Stadio Olimpico, schaute in den Nachthimmel Roms und dachte: Jo mei!

Nach den beiden Titeln als Kapitän und Feldherr schaffte Kaiser Franz auch noch den dritten und wichtigsten Titel, den des „Weltmeisters der Herzen“. Denn er hatte das Weltturnier (2006) nicht nur ins Land geholt, war – im Hubschrauber von Stadt zu Stadt und von Stadion zu Stadion fliegend bei jedem Spiel vor Ort und wurde zum Wahrzeichen, zum Gesicht der Weltmeisterschaft 2006, wo die Seinen zur Überraschung der Welt in Berlin bei allem Ehrgeiz NICHT Weltmeister wurden, sondern verloren in Anstand, Würde und Fairness. Das Wunder war ein anderes: Auf Kaisers Befehl wurde sein ganzes Volk, das in der Welt seit urdenklichen Zeiten als arrogant, pedantisch, herrschsüchtig, zackig, preußisch und piefkinesisch verschrien war – dieses Volk wurde 2006 schlagartig kollektiv freundlich und sympathisch. Beckenbauer als Brückenbauer – das war des Kaisers größtes und nachhaltigstes Wunder. Jo mei.

Jetzt sitzt der Kaiser mit schneeweißem Haar in Kitzbühel, blickt auf sein Land und erinnert sich an die Zeit, als er noch nicht so genau wusste, welches Land denn das seine war. Ein einziges Mal bekanntlich spielte im Lauf der Weltgeschichte Österreich gegen Deutschland und gewann haushoch 3:2. Jo mei! Damals traf unser geliebter Kaiser die weiseste aller seiner Entscheidungen: Er hat nicht mitgespielt.

EGYD GSTÄTTNER