Vom Papier her scheint die Ausgangslage vor dem letzten Achtelfinal-Spiel bei dieser Europameisterschaft heute (21 Uhr) in Nizza klar zu sein. England sollte gegen EM-Neuling Island, nicht zuletzt dank der makellosen Qualifikation für die Endrunde in Frankreich, der klare Favorit sein. Doch das Kräfteverhältnis hat sich im Laufe des Wettbewerbs gehörig verschoben. Denn während Island mit dem Sieg in Gruppe F für eine Überraschung sorgte, blieb England in der Gruppe B mit Platz zwei hinter Wales hinter den Erwartungen.

Außerdem dürfte der Elf von Trainer Roy Hodgson auch ein Blick auf die Statistik keinen zusätzlichen Auftrieb verleihen. Seit zehn Jahren haben die „Three Lions“ bei Welt- und Europameisterschaften kein K.o.-Spiel mehr für sich entschieden, zudem leiden die Engländer unter einem hartnäckigen Elfmeter-Trauma. Bei drei der jüngsten vier EM-Teilnahmen verpassten die Kicker von der Insel den Aufstieg aufgrund eines verlorenen Elfer-Duells.

Um einer erneuten Entscheidung vom Elfmeter-Punkt aus dem Weg zu gehen, sind gegen Island heute dringend Tore vonnöten, das weiß auch Englands Rekordtorschütze Wayne Rooney: „Wir müssen mit hohem Tempo spielen, sie zu Fehlern zwingen und diese bestrafen.“
Die Kampfansage des Gegners schindet beim isländischen Betreuer Heimir Hallgrimsson aber nur wenig Eindruck: „Ich habe keine Angst vor England. Wir Isländer wissen alles über den englischen Fußball.“ Für ein zusätzliches Anschwellen der isländischen Kickerbrust sorgt die Tatsache, dass man im Gegensatz zu den Elfer-traumatisierten Engländern über einen wahren Standard-Spezialisten in den eigenen Reihen verfügt.

Die Rede ist von Gylfi Sigurdsson. Der Swansea-Legionär („Das ist ein fantastisches Duell, von dem ich geträumt habe, seit ich ein Kind bin“) traf in der abgelaufenen EM-Qualifikation sechs Mal, just bei den beiden sensationellen Siegen gegen die Niederlande steuerte er zwei Treffer vom Elfmeterpunkt bei. Spätestens ab diesem Zeitpunkt erlangte Sigurdsson bei seinen Landsleuten Kultstatus. Seine Treffsicherheit bei Elfmetern stellte der Ex-Hoffenheimer auch bei der Europameisterschaft unter Beweis, als er beim 1:1-Remis gegen Ungarn per Strafstoß zum 1:0 traf.