Mit einer handfesten Sensation wartete ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner Donnerstagabend kurz nach 22 Uhr auf. Im Interview in der ZiB 2 verkündete er, dass Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll bei der Bundespräsidentenwahl doch nicht antreten werde. Bereits um Weihnachten herum habe Pröll ihm diese Entscheidung kundgetan.
In ÖVP-Kreisen hatte es bis zuletzt geheißen, Pröll dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit in den Kampf um die Hofburg einsteigen. Gestern vormittags suchte Mitterlehner noch einmal den Niederösterreicher in St. Pölten auf. Offenkundig holte sich der ÖVP-Chef da eine definitive Absage. In den frühen Nachmittagsstunden gab es erste Hinweise, dass doch nicht alles so aalglatt ablaufen dürfte wie angenommen. Beim traditionellen Sauschädelessen von Flüchtlingskoordinator Christian Konrad verdichteten sich die Hinweise.
Khol soll es retten
Für Mitterlehner ist Prölls Njet ohne Zweifel ein schwerer Rückschlag und es sah am Vormittag auch so aus, als sei das Rennen nun wieder völlig offen. Wen die ÖVP stattdessen ins Rennen schickt, verdichtete sich aber bereits am Nachmittag - unmittelbar nachdem Alexander Van der Bellen seine Kandidatur per Videobotschaft bekanntgab. Der langjährige Nationalratspräsident Andreas Khol soll die ÖVP aus ihrem Dilemma retten, bestätigten hochrangige Parteikreise. Schon in den Nachtstunden machte plötzlich er als Kandidat die Runde. Khol leitet seit Jahren den schwarzen Seniorenbund.
Offiziell will die Volkspartei am Sonntagabend ihren Kandidaten aus dem Hut zaubern. Eine Reihe von Namen geisterte deshalb zunächst gestern am späten Abend herum. Doch ÖVP-Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl durfte sich offenbar nur kurz Hoffnungen auf die Hofburg machen. Ein ernsthafter Kandidat wäre zweifelsohne auch Justizminister Wolfgang Brandstetter gewesen. Ambitionen auf das Amt wurden auch Othmar Karas nachgesagt. Spekuliert wurde auch über ein Antreten von Ex-EU-Kommissar Franz Fischler.
Erwin Prölls Gründe
Über die Beweggründe von Erwin Prölls Njet kann nur spekuliert werden. Möglicherweise gaben rein private, innerfamiliäre Gründe den Ausschlag. Denkbar ist allerdings auch, dass der Niederösterreicher seine Siegeschance doch nicht so glorios einschätzte. Mit einer Niederlage seine politische Karriere zu beenden, dieses Risiko wollte der Vollblutpolitiker doch nicht eingehen. Kaum ein ÖVP-Politiker polarisiert so wie Erwin Pröll – selbst in schwarzen Kernschichten.