"Gemeinsam als Regierung", erklärte Bundeskanzler Werner Faymann zu Beginn der Pressekonferenz zum Flüchtlingsthema. Die Regierung plant eine Verfassungsänderung, damit der Bund künftig selbst Asylquartiere errichten kann, wenn die Länder säumig bleiben. Zudem soll eine Unterbringungsquote von ein bis zwei Prozent pro Einwohner auf die Gemeinden heruntergebrochen werden. Das kündigten Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Freitag an.
Das geplante Gesetz ist Teil eines fünf Punkte umfassenden Programms, das auch noch die Erhöhung des Tagsatzes für unbegleitete Minderjährige und eine Regierungs-"Task Force" für das Asylthema vorsieht, weiters eine "Entlastung" des Lagers in Traiskirchen und das Anstreben einer "gemeinsamen europäischen Lösung".
Faymann und Mitterlehner betonten, dass die verfassungsrechtliche Ermächtigung zu einer "Ersatzvornahme" des Bundes, so der Terminus, ausschließlich Liegenschaften betreffen werde, die im Einflussbereich des Bundes stehen. Eingriffe in Privatrechte seien keinesfalls geplant. In Kraft treten soll das Gesetz so bald wie möglich, die beiden stellen auch eine Sondersitzung des Nationalrats in den Raum. Es braucht allerdings die Stimmen von FPÖ oder Grünen für die nötige Zweidrittelmehrheit.
Durchgriffsrecht für LH Kaiser "logisch"
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat ein Durchgriffsrecht des Bundes beim Thema Asyl erwartet. Er nannte den Schritt eine "logische Konsequenz". Der Bund ziehe nun dort, wo er Eigentümer oder Pächter von Immobilien ist und wo Richtwerte nicht erfüllt werden, die gesetzliche Entscheidung an sich.
"Das war zu erwarten und ist weder als Strafmaßnahme noch als Willkür zu werten", sagte Kaiser. Besonders wichtig für den Kärntner Landeshauptmann und Flüchtlingsreferenten ist es, dass auch vonseiten der Bundesregierung betont wurde, dass eine gemeinsame, europäische Lösung weiter angestrebt wird. "Daran hängt auch die Bereitschaft der österreichischen Bevölkerung, weiter Hilfe für Asylwerber zu manifestieren", meinte Kaiser.
Notwendig ist für Kaiser eine Befristung des Durchgriffsrechts. "Alles andere wäre eine völlige Kompetenzverschiebung." Die Einschränkung brauche es sowohl zeitlich als auch thematisch, nämlich an die Asylproblematik geknüpft. "Ein Jahr wäre als erster Schritt adäquat." Würde man einen längeren Zeitraum, etwa zehn Jahre vereinbaren, könne man keinen Druck mehr auf die EU ausüben.
"Täglich kommen mehr als 300 Flüchtlinge nach Österreich", sagt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bei der Pressekonferenz. Die Schere zwischen Plätzen und Flüchtlingen gehe weit auseinander. Die Länder haben 4200 Plätze geschaffen, dennoch würden noch 2300 Plätze fehlen.
Die Fakten: Ende Juli gab es 2000 Asylanträge innerhalb einer Woche. Anfang Mai waren es noch 1500 innerhalb einer Woche. Menschen aus Syrien und Afghanistan führen die Liste der Antragsteller an.
Flüchtlinge NGOs direkt übergeben
Das Innenministerium hat am Freitag geplante Maßnahmen zur Vereinfachung der Unterbringung von Flüchtlingen präsentiert: So sollen Asylwerber nach der Erstaufnahme auch direkt an die Hilfsorganisationen übergeben werden können, sagte Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei einer Pressekonferenz. Zudem sollen in den Ländern "Singel Points Of Contact" geschaffen werden.
Bisher war es lediglich möglich, dass Asylwerber nach der Erstaufnahme in den Verteilquartieren direkt den Bundesländern angeboten werden. Dieser Schritt funktioniere derzeit nicht, bedauerte Peter Webinger, der im Innenministerium für das Asylwesen zuständig ist, bei der Pressekonferenz. Mit der direkten Schiene zu Hilfsorganisationen wie Caritas, Diakonie und Hilfswerk werde nun eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen. Dies sei auch mit den NGOs abgestimmt, betonte Webinger.
Eine weitere Erleichterung bei der Unterbringung von Asylwerbern in den Ländern erhofft sich das Innenministerium durch die Schaffung der "Single Points Of Contact". Dort würden Bund, Länder, die Polizei, wie auch die Hilfsorganisationen ihr Wissen um verfügbare Unterkünfte bündeln. In jedem Land solle es eine solche Stelle geben. "Es wird daher eine Zusatzschiene eröffnet", erläuterte Webinger. Man wolle künftig stärker auf die Föderalstruktur und damit kleinere Einheiten bauen. Auch die Administration dieser Stellen laufe vor Ort ab.
Ab Mittwoch soll das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen. "Die medizinische und hygienische Lage erfordert diese Maßnahme", begründete Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) den Schritt. Dem zuvorgegangen war eine gesundheitsbehördliche Überprüfung, die unter anderem Hygienemängel festgestellt hatte. Einen solchen Aufnahmestopp hatte es übrigens bereits am 29. Juli vor einem Jahr gegen, der an der Lage kaum etwas geändert hatte und Mitte März 2015 endete.
"Jetzt tut sich endlich was", kommentierte Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) die am Freitag vorgestellten Pläne der Regierung in Sachen Asyl. Dass ein Gesetz zur Aufteilung von Flüchtlingen, das er seit Monaten fordere, Realität werden soll, sei ein Schritt in die richtige Richtung. Gradmesser für den Erfolg wäre die "Abschaffung der Massenlagerzustände".