Die EU-Kommission will zwei Insidern zufolge das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) voraussichtlich ohne die Zustimmung der nationalen Parlamente beschließen lassen. Die Brüsseler Behörde werde wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass es sich bei dem Vertrag nicht um ein gemischtes Abkommen handle, sagte einer der EU-Vertreter.
Damit würden die Parlamente der 28 Mitgliedsländer nicht mit der Sache befasst, sondern nur das EU-Parlament. Die EU-Kommission wolle ihre Entscheidung voraussichtlich Anfang Juli bekanntgeben. Einem italienischen Diplomaten zufolge hat Italiens Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Carlos Calenda, EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström in einem Brief seine Unterstützung in der Sache zugesagt. Demnach teile Calenda die Meinung, dass es sich bei CETA nicht um ein gemischtes Abkommen handle. Italien wolle einen schnellen Abschluss des Vertrages mit Kanada, hieß es zur Begründung.
Wenn sich Italien auf die Seite der EU-Kommission schlägt, können die Mitgliedsländer die Entscheidung nicht mehr den nationalen Parlamenten überlassen, weil dafür Einstimmigkeit im EU-Rat notwendig wäre.
Vorbildwirkung für TTIP?
Der bereits ausverhandelte Vertrag mit Kanada soll im Oktober unterzeichnet werden. CETA gilt als Blaupause für den TTIP-Vertrag mit den USA, der vor allem in Teilen der deutschen und österreichischen Bevölkerung auf Widerstand stößt. Ob TTIP als gemischtes Abkommen gewertet wird und damit die Zustimmung der nationalen Parlamente nötig wäre, ist noch offen.
Die Umweltorganisation Greenpeace sieht im Vorhaben der EU-Kommission einen "demokratiepolitischen Skandal erster Güte". Der Geschäftsführer von Greenpeace Österreich, Alexander Egit, fordert: "Die österreichische Bundesregierung muss den Tricksereien der EU-Kommission sofort einen Riegel vorschieben."
Als unmittelbaren Anlass für den Vorstoß der EU-Kommission erachtet Greenpeace den Umstand, dass Greenpeace darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die EU-Kommission das Verhandlungsmandat, das ihr die Mitgliedsländer gegeben haben, verletzt habe, weswegen die EU-Kommission jetzt offenbar ein Veto gegen den Vertrag fürchte.
Greenpeace hatte beanstandet, dass das Recht zur Regulierung durch Sonderklagerechte für ausländische Investoren eingeschränkt werde. Außerdem würden inländische Investoren benachteiligt: Sie hätten keinen Zugang zur CETA-Paralleljustiz, und sie genießen - im Gegensatz zu den ausländischen Investoren - keinen Schutz vor "indirekter Enteignung".
"Kleiner Bruder von TTIP"
"CETA ist der kleine kanadische Bruder von TTIP und würde uns den EU-USA-Konzernpakt durch die Hintertüre bringen. Viele toxische Elemente wie Sonderklagerechte für Konzerne und die drohende Senkung von Umwelt- und Verbraucherschutzstandards sind auch in CETA enthalten. So könnten 42.000 europäische Firmen im Besitz von US-Konzernen mit Niederlassungen in Kanada über CETA auch ohne TTIP europäische Staaten klagen", so Egit.