Die US-Republikaner steuern auf eine Situation zu, wo auch nach den Vorwahlen in allen Staaten, Außengebieten und dem Hauptstadt-District of Columbia nicht klar ist, wer heuer am 8. November für die Grand Old Party als Präsidentschaftskandidat antritt. Die Entscheidung könnte erst der Nominierungsparteitag in Cleveland im Juli bringen. Das letzte Mal war das vor 40 Jahren der Fall.

Der amtierende Präsident Gerald Ford gewann die Nominierung damals 1976 knapp gegen Herausforderer Ronald Reagan. Ford - nicht vom Volk gewählt, weil er 1974 nach dem Rücktritt von Richard Nixon in der Watergate-Affäre als dessen Vize an die Macht gekommen war - verlor dann aber die Präsidentenwahl gegen den Demokraten Jimmy Carter. Seine politische Karriere war damit nach nur knapp zweieinhalb Jahren als Staatschef zu Ende. Reagan kam erst bei der Wahl 1980 zum Zug, schlug Carter und blieb acht Jahre im Weißen Haus.

Es könnte knapp werden

Bei den Republikanern wird dieses Mal der Milliardär Donald Trump in den Umfragen favorisiert, und er hat auch die meisten bisherigen Staaten gewonnen. Er könnte aber bis zum Parteitag die Marke von 1.237 Delegierten für die absolute Mehrheit (50 Prozent plus 1 Stimme, mehr als alle anderen Bewerber zusammen) verfehlen.

Darüber hinaus ist der Populist, der mit teils diskriminierenden Aussagen und markigen Sprüchen vor allem junge Weiße unterhalb der Mittelklasse mit niedrigem Bildungsgrad und Jobs in der traditionellen Wirtschaft anspricht, selbst in der eigenen Partei höchst umstritten. Beim Establishment der Republikaner gibt es Vertreter, die Trump in Kauf nehmen wollen, um einen weiteren Riss innerhalb der Partei und ihrer Wählerschaft, wie er seit Jahren mit der neo-konservativen, religiös-rechten Tea-Party-Bewegung besteht, zu vermeiden. Sie sehen mit Trump immer noch die beste Chance, nach acht Jahren die Präsidentschaft wiederzuerobern. Andere Kräfte wiederum wollen Trump um jeden Preis verhindern.

Neue Kandidaten möglich

Laut dem Politologen Fritz Plasser kursieren Negativszenarien für den Parteitag in Cleveland wie: Trump gewinnt in einem ersten Abstimmungsdurchgang keine deutliche Delegiertenmehrheit. Dann könnte auf der Convention eine Diskussion über einen Alternativkandidaten starten. Einer der zuletzt zwei Mitbewerber Trumps, Ted Cruz oder John Kasich, könnte nach einem zweiten oder dritten Votum nominiert werden, oder man einigt sich auf einen Kompromisskandidaten, der gar nicht an den Vorwahlen teilgenommen hat. Oder aber Trump wird nominiert, moderate Teile der Partei, für die er inakzeptabel ist, stellen in der Folge einen zweiten "republikanischen" Kandidaten auf - eine Spaltung, welche die Aussichten auf den Wiedereinzug ins Oval Office, die ohnehin nicht rosig sind, extrem verdüstern würde.

Die Convention vom August 1976 in Kansas City wäre in diesem Fall noch glimpflich verlaufen: Reagan hatte den konservativen Parteiflügel hinter sich gesammelt. Dieser kreidete Ford den schmählichen Rückzug der letzten Amerikaner aus Südvietnam beim Fall Saigons ebenso an wie die Verhandlungen zur Übergabe der Kontrolle über den Panama-Kanal von den USA auf das mittelamerikanische Land und die Unterzeichnung. Die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit und Europa (KSZE) sahen die Hardliner eine Quasi-Anerkennung des sowjetischen Herrschaftsanspruchs über Osteuropa.

Erinnerung an Ronald Reagan

Früh griff Reagan den mit einem demokratisch dominierten Kongress ringenden, nicht vom Volk legitimierten Ford, der früher erklärt hatte, nicht anzutreten, öffentlich an. Bei den Vorwahlen schien jedoch zunächst alles auf Ford hinauszulaufen. Dann trumpfte Reagan, Ex-Gouverneur von Kalifornien, aber auf. Das Duell mündete in ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Ford kam mit 27 gewonnen Staaten und, auf die USA hochgerechnet, 53,3 Prozent aller Vorwahlstimmen nach Kansas City. Er hatte aber nicht die nötigen 1.130 Delegiertenstimmen gesammelt. So begann ein taktisches Spiel schon vor Beginn der völlig offenen Convention. Sowohl Ford als auch Reagan warben intensiv um verbliebene, an die Vorwahlergebnisse nicht gebundene rund 115 Delegierte. Reagan setzte vor allem auf Pressure Groups, während der Amtsinhaber angeblich Flüge mit der Air Force One und persönliche Treffen in die Waagschale warf.

Enger Kampf 1976 mit Ford

Ein Delegierter aus New York habe einen Richterposten für seinen Bruder gefordert, damit er für Ford stimmt, "er hat ihn nicht bekommen", erinnerte sich Ann Compton, damals Korrespondentin für den Sender ABC, gegenüber dem National Public Radio (NPR). "Es hat Momente unglaublicher Frustration gegeben und sogar körperliche Auseinandersetzungen im Saal."

Dann verzettelten sich Reagan und seine Berater aber: Um moderatere Republikaner für sich zu gewinnen, erklärte Reagan den "liberalen" Senator Richard Schweiker als seinen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft vorzuschlagen. Der Schuss ging nach hinten los: Er brachte die Konservativen damit gegen sich auf. Als dann noch per Antrag erreicht werden sollte, dass sich auch Ford vor der Nominierungsabstimmung zu seinem Vize äußert, damit er in die gleiche Bredouille kommt wie Reagan mit Schweiker, und dies abgelehnt wurde, war das Rennen gelaufen. In einer knappen Abstimmung erhielt Ford 1.187 Delegiertenstimmen, Reagan 1.070.

Reagan wurde dann aber fast wie der Sieger umjubelt. Von einer Loge aus musste er der Menge in der Kemper Arena deuten, ruhig zu sein. Ford winkte ihn und die spätere First Lady Nancy dann in einer generösen Geste auf die Bühne, wo Reagan eine improvisierte Rede hielt. In den Mittelpunkt stellte er die Bedrohung durch einen Atomkrieg als größte Herausforderung. Als er die Kandidatur 1980 unangefochten gewonnen hatte, leitete er das Ende des Kalten Krieges ein und entschärfte die Gefahr einer Auseinandersetzung mit Nuklearwaffen erheblich. Reagan-Anhänger sind überzeugt, dass gleich nach der Kür Fords im Saal das Gefühl vorgeherrscht habe: Wir haben den falschen Mann nominiert.