"Ich rufe Russland und alle anderen Staaten, die am Waffenruheplan beteiligt sind, dazu auf, ihren Einfluss gelten zu machen, damit humanitäre Hilfe überall in Syrien möglich wird und das Assad-Regime wie auch die syrische Opposition, die Kampfhandlungen zurückfahren", sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag". "Wir dürfen nicht zulassen, dass die "Münchener Verpflichtungen" im Bombenhagel des Assad-Regimes und der fortgesetzten entgrenzten Brutalität der Kämpfe in Syrien untergehen."
Kurz nach der Münchner Syrien-Konferenz hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow die Hoffnungen auf eine baldige Waffenruhe gedämpft. Auf der Sicherheitskonferenz machte Lawrow am Samstag deutlich, dass er dafür nicht einmal eine fünfzigprozentige Chance sieht. US-Außenminister John Kerry warnte vor einem Scheitern der Münchner Vereinbarungen und betonte: "Wir sind an einem Scheidepunkt." Nach Angaben von Aktivisten verstärkte Russland seine Luftangriffe im Norden Syriens am Samstag weiter.
Der US-Außenamtssprecher rief die Kurden auf, kein Kapital aus den Kämpfen zwischen syrischen Truppen und Rebellen zu schlagen. Die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu hatte zuvor von türkischen Angriffen auf Kurdenstellungen in der nordsyrischen Provinz Aleppo bestätigt. Das türkische Militär habe Ziele in den von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) kontrollierten Gebieten nahe der Stadt Asas bombardiert, zitierte Anadolu Militärkreise. Bei einem weiteren Angriff sei der Beschuss eines türkischen Postens in der südlichen Region Hatay durch syrische Regierungstruppen erwidert worden. Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien richteten sich die Angriffe unter anderem gegen den Luftwaffenstützpunkt Minnigh, der erst vor wenigen Tagen von den YPG eingenommen wurde. Die Angaben der den Rebellen nahestehenden Beobachtungsstelle sind von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen. Die syrischen Regierungstruppen von Präsident Bashar al-Assad hatten die Kontrolle über den Flughafen bereits im August 2013 verloren.
Die YPG kontrollieren große Teile der kurdischen Siedlungsgebiete im Norden Syriens. Zwischen den USA und der Türkei schwelt seit Monaten ein Streit über die Rolle der Kurden im syrischen Bürgerkrieg. Washington unterstützt die YPD militärisch, sie sieht in den Kurden einen wichtigen Verbündeten im Kampf gegen den IS. Dessen ungeachtet forderte US-Außenamtssprecher Kirby die YPG auf, "nicht von der Verwirrung zu profitieren und sich neue Gebiete einzuverleiben".
Die türkische Armee beschoss unterdessen offenbar den zweiten Tag in Folge Stellungen einer Kurden-Miliz im Norden Syriens. Dabei seien zwei kurdische Kämpfer getötet worden, teilte die oppositionsnahe Syrische Beobachterstelle für Menschenrechte am Sonntag mit.
Erst am Samstag hatte die Türkei nach eigenen Angaben Stellungen der Kurden-Miliz YPG angegriffen. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu forderte, die Gruppe solle sich aus dem Gebiet zurückziehen, das sie kürzlich erobert habe. Es liegt in einem von Rebellen kontrollierten Korridor, der von der umkämpften syrischen Großstadt Aleppo bis zur türkischen Grenze reicht.
Saudi-Arabien verlegte unterdessen nach eigenen Angaben Kampfflugzeuge in die Türkei, um die Angriffe auf die IS-Miliz in Syrien zu verstärken. "Das saudi-arabische Königreich hat heute eine Präsenz auf der Luftwaffenbasis Incirlik in der Türkei", sagte der Brigadegeneral Ahmed Assiri in der Nacht zu Sonntag im Fernsehsender Al-Arabiya.
Riad ist Teil der Anti-IS-Koalition, hat sich bisher aber nicht maßgeblich an den Angriffen beteiligt. Assiri sagte, die Verlegung der Flugzeuge auf den Militärflughafen im Süden der Türkei sei erfolgt, nachdem die internationale Anti-IS-Koalition diese Woche in Brüssel beschlossen habe, die "Luftangriffe zu verstärken". Die Kampfflugzeuge in Incirlik operierten im Rahmen der US-geführten Militärkoalition, sagte der saudi-arabische Militärvertreter. Ihrer Verlegung liege keine bilaterale Vereinbarung zwischen Riad und Ankara zugrunde.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte bereits am Samstag gesagt, Riad habe Jagdflugzeuge nach Incirlik verlegt. Zudem erklärte er die Bereitschaft der Türkei und Saudi-Arabiens, für den Kampf gegen die IS-Miliz Bodentruppen nach Syrien zu schicken. Assiri sagte nun, es gebe in der Koalition "einen Konsens" über den Einsatz von Bodentruppen, "in den kommenden Tagen" würden Militärexperten die Einzelheiten des Einsatzes festlegen.