Europas Sozialdemokratie betroffen

Europas Sozialdemokratie hat sich bestürzt über Tod von Helmut Schmidt gezeigt. Worte der Würdigung zum Tod des deutschen Altkanzlers äußerten am Dienstag Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Werner Faymann, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Frankreichs Präsident Francois Hollande.

Faymann lobte Schmidt in einer Aussendung als "großen und prinzipienfesten Sozialdemokrat" und "Jahrhundertpolitiker". Sein Lebenswerk habe ihm über die Länder- und Parteigrenzen hinweg Achtung, Bewunderung und Anerkennung verschafft. "Mit Helmut Schmidt verliert die Sozialdemokratie einen großen Mitstreiter und ebenso wachen wie kritischen Geist, dessen Wortmeldungen, Kommentare und Bücher unverzichtbare Orientierungshilfe in einer zunehmend komplexer werdenden Welt waren", so der Kanzler.

Fischer kondolierte im Namen der Republik Österreich. Er habe Schmidt in den 1970er-Jahren kennengelernt und erst vor wenigen Monaten in Wien getroffen. "Jedes Gespräch mit ihm war beeindruckend und fruchtbringend", teilte der Bundespräsident in einer Aussendung mit.

"Sein Tod ist eine Zäsur für Deutschland und Europa", sagte Schulz in einer Stellungnahme am Dienstag in Brüssel. Mit Schmidt starb "ein herausragender deutscher Bundeskanzler, ein großer und kämpferischer Europäer und ein Mann, der die Sozialdemokratie in Deutschland und Europa wie kaum ein anderer geprägt hat", sagte Schulz. "Sein Wort hatte auch lange nach seiner Kanzlerschaft Gewicht. Bis ins hohe Alter war er ein wichtiger und gefragter Ratgeber, mischte sich in die politische Debatte ein, mahnte Reformen und Veränderungsbereitschaft in Deutschland und Europa an und scheute dabei keine kontroverse Debatte. Für meine Politikergeneration bleibt Helmut Schmidt eine Leitfigur wegen seiner Geradlinigkeit und Prinzipientreue", so Schulz.

Eine Würdigung Schmidts kam auch vom französischen Staatschef. Es sei ein "großer Europäer gestorben", sagte Hollande in Paris. "Als er Kanzler war, (...) bereitete er die Entscheidungen vor, die von François Mitterrand und Helmut Kohl getroffen wurden."

Juncker lobt seinen Mut und Geradlinigkeit

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat den verstorbenen deutschen Altkanzler Helmut Schmidt für dessen Mut und Geradlinigkeit gewürdigt. Schmidt habe "politische Ehrlichkeit vorgelebt, seine Beiträge zu politischen Debatten hatten auch deswegen besonderes Gewicht, weil er gradlinig war", erklärte Juncker am Dienstag. Schmidt habe auch "der Mut in die Zukunft zu denken" ausgezeichnet.

"Dieser Mut ist auch sein Auftrag an uns, niemals aufzugeben, wenn es um Europa geht", erklärte Juncker. Dabei habe Schmidt von sich selbst gesagt, er sei kein europäischer Idealist. "Sein Engagement für Europa beweist also, dass dies kein Projekt für abgehobene Idealisten, sondern für europäische Realisten ist. Er ist mit mehr Leidenschaft als viele andere für das Zusammenwachsen des Kontinents eingetreten, auch weil er immer verstanden hat, dass wir zusammenhalten müssen, wenn wir in der Welt eine Rolle spielen wollen." Juncker würdigte Schmidts Rolle bei der Gründung des Europäischen Währungssystems, das die Weichen für den Euro gestellt hat.

Gauck: "Hat als Bundeskanzler Großes geleistet"

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat den am Dienstag verstorbenen deutschen Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt als "einen der bedeutendsten deutschen Politiker der Nachkriegszeit" gewürdigt. Sein österreichischer Amtskollege Heinz Fischer betonte in einer Aussendung: "Seine Stimme hatte im In- und Ausland Gewicht, ein großer Staatsmann ist von uns gegangen."

Schmidt sei "in schweren Stunden entscheidungsfreudig" gewesen, so Fischer, "und seine Handlungen waren von großem Verantwortungsbewusstsein und moralischen Kategorien geprägt." Der Bundespräsident sprach von "aufrichtigem Respekt gegenüber einem Mann, dessen Denken und Handeln für Deutschland, Europa und die Welt viel Nutzen gebracht hat."

Gauck schrieb am Dienstag an Schmidts Tochter Susanne Kennedy-Schmidt: "In seinen öffentlichen Ämtern, ganz besonders als Bundeskanzler, hat Helmut Schmidt Großes geleistet. Mit den Tugenden, die ihn auszeichneten - Unabhängigkeit des Geistes, Mut und Pflichtbewusstsein - wird er auch künftigen Politikergenerationen ein bleibendes Vorbild sein."

Anerkennung auch vom politischen Gegner

Anerkennung hat nach seinem Ableben auch der politische Gegner Helmut Schmidt gezollt. Seine Amtsnachfolgerin Angela Merkel, eine Christdemokratin, würdigte Schmidt als Vordenker der internationalen Zusammenarbeit. Auch lobte Merkel nach Angaben von Fraktionskollegen am Dienstag Schmidts Rolle bei der Etablierung der Weltwirtschaftsgipfel, seinen Kampf gegen den Terrorismus in Deutschland sowie seine Verdienste um den NATO-Doppelbeschluss.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, wie Merkel ein Christdemokrat, lobte Schmidt als herausragende Figur. "Er war ein Freund, der mir, ebenso wie Europa, fehlen wird. Denn mit ihm verlieren wir einen besonderen Menschen, dessen politischer Mut viele bewegt hat", sagte Juncker.

In Österreich gab es Anerkennung für Schmidts Lebenswerk auch von FPÖ und Grünen. Der blaue Parteichef Heinz-Christian Strache ließ in einer Aussendung wissen, er betrachte den deutschen Altkanzler als "einen bedeutenden Politiker mit Vorbildwirkung", der unangenehme Wahrheiten ausgesprochen habe. Grünen-Chefin Eva Glawischnig lobte Schmidt als "großen Befürworter eines vereinten Europa".

"Zeit"-Chefredakteur: "Jetzt erwachsen werden"

Die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" trauert um ihren langjährigen Herausgeber, den verstorbenen Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt. "Wir, die ihn überlebt haben, müssen jetzt erwachsen werden. Ob wir es wollen oder nicht", sagte Chefredakteur Giovanni di Lorenzo am Dienstag in Hamburg.

Der Geschäftsführer des Verlags, Rainer Esser, ergänzte: "Ich bin sehr glücklich, dass ich einen so klugen, liebenswürdigen und immer hilfsbereiten großen Mann über 16 Jahre regelmäßig treffen durfte. Wir werden ihn unendlich vermissen."

Als Herausgeber, zeitweise auch als Verleger und Geschäftsführer, habe Schmidt 32 Jahre lang über die Geschicke des Blattes gewacht, teilten Redaktion und Verlag mit. "Mit ungebrochener Schaffenskraft und nie versiegender Wissbegier hat Helmut Schmidt bis in seine letzten Lebenswochen an der Redaktionsarbeit Anteil genommen. Er hat sich lebhaft an unseren Konferenzen beteiligt, hat in unsere Diskussionen eingegriffen und Themen angeregt. Er hat nie aufgehört zu arbeiten und ist deshalb jung geblieben", schrieben die Blattmacher über den 96-Jährigen. "Sein kluges Urteil, seine Weisheit und seine Warmherzigkeit werden uns fehlen."

Draghi: "Europa hat großen Führer verloren"

EZB-Präsident Mario Draghi hat den gestorbenen deutschen Altkanzler Helmut Schmidt als europäische Führungspersönlichkeit gewürdigt. "Mit dem Tod von Helmut Schmidt hat Europa einen seiner großen Führer verloren", schrieb Draghi im Kurznachrichtendienst Twitter.

"Ich bewunderte die Tiefe von Helmut Schmidts Wissen und die Wärme seiner Persönlichkeit", fügte er hinzu. Er werde seine Begegnungen mit Schmidt niemals vergessen, erklärte der Chef der Europäischen Zentralbank.

Putin sprach Deutschland Beileid aus

Der russische Präsident Wladimir Putin hat Deutschland sein Beileid zum Tod von Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) ausgedrückt. In einem Telegramm an Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete er Schmidt als "herausragende Persönlichkeit Nachkriegsdeutschlands für die europäische und globale Politik".

Das teilte der Kreml am Dienstagabend in Moskau mit. Schmidt habe einen erheblichen persönlichen Beitrag zur Entwicklung und Stärkung guter Beziehungen zwischen Deutschland und Russland geleistet.

Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka würdigte Schmidt als eine "Legende der Sozialdemokratie" und "wirklichen Staatsmann". "Seine Einsichten und Gedanken werden uns bei der Lösung der Herausforderungen fehlen, vor denen das heutige Europa steht", teilte der 44-Jährige am Dienstag in Prag mit.

Schmidt habe die Bundesrepublik durch die Ölkrise und eine Zeit der internationalen Spannungen gesteuert und zugleich die europäische Einigung vorangetrieben. Nach seiner Amtszeit habe er als aktiver und weiser Kommentator des internationalen Geschehens auch außerhalb Deutschlands viel Gehör gefunden.