Der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt ist tot. Der 96-Jährige starb am Dienstagnachmittag in Hamburg, wie sein behandelnder Arzt Heiner Greten der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Hamburger Sturmflut, Wirtschaftskrise und RAF-Terror - in schwierigen Zeiten verschaffte sich Helmut Schmidt im In- und Ausland als Krisenmanager hohes Ansehen. Für viele bleibt der Sozialdemokrat und lebenslang passionierte Raucher Inbegriff des Staatsmanns mit Weitblick, dessen Wort auch nach Ausscheiden aus dem Kanzleramt bis zuletzt unverändert Gewicht hatte.

1953 wurde Schmidt erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt, wo er sich als scharfer Widersacher von Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) profilierte. Aus dieser Zeit stammt sein Beiname "Schmidt-Schnauze". 1961 wechselte er als Innensenator nach Hamburg. Während der Sturmflut 1962 erwarb sich Schmidt erstmals deutschlandweites Ansehen als umsichtiger Krisenmanager.

Nach dem SPD-Wahlsieg und der Bildung der sozialliberalen Koalition 1969 wurde Schmidt Verteidigungsminister. Zusammen mit Kanzler Willy Brandt und Fraktionschef Herbert Wehner bildete er die "Troika", die die SPD lenkte. Nach Kanzler Willy Brandts Rücktritt im Mai 1974 wegen der Guillaume-Affäre wurde Helmut Schmidt sein Nachfolger.

Seine erste Regierungszeit war geprägt von der weltweiten Rezession und der Ölkrise. Größte innenpolitische Herausforderung in Schmidts über achtjähriger Kanzlerschaft war der Terror der Roten Armee-Fraktion (RAF) im "Deutschen Herbst" 1977, dem etwa Generalbundesanwalt Siegfried Buback und der Bankier Jürgen Ponto zum Opfer fielen. Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer wurde entführt, kurze Zeit später die Lufthansa-Maschine "Landshut" gekapert.

Schmidt entschloss sich zur gewaltsamen Befreiung durch die GSG 9 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Einen Tag später wurde Schleyers Leiche gefunden. Schmidt übernahm für dessen Tod die politische Verantwortung. Für den Fall, dass die Befreiungsaktion für die "Landshut" missglückt wäre, hatte er bereits sein Rücktrittsschreiben vorbereitet.

"Mir ist sehr klar bewusst, dass ich - trotz aller redlichen Bemühungen - am Tode Hanns Martin Schleyers mitschuldig bin", sagte Schmidt - und war gerade deshalb sehr bewegt, als ihm die Familie Schleyer 36 Jahre nach dem RAF-Mord als Zeichen der Versöhnung im April 2013 den Hanns-Martin-Schleyer-Preis verlieh. "Es rührt mich heute zutiefst, dass die Familie Schleyer öffentlich ihren Respekt gegenüber meiner damaligen Haltung zum Ausdruck bringt", sagte Schmidt bei der Preisverleihung.

In der Außenpolitik setzte Helmut Schmidt auf ein entschlossenes Vorgehen gegenüber dem kommunistischen Warschauer Pakt. Er gehörte zu den Architekten des sogenannten NATO-Doppelbeschlusses, der vor allem in der SPD umstritten war. Danach sollten in Europa atomare Mittelstreckenraketen stationiert werden, falls Abrüstungsverhandlungen mit der Sowjetunion ergebnislos blieben. Gemeinsam mit dem ihm freundschaftlich eng verbundenen französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing brachte Schmidt das Europäische Währungssystem und die Weltwirtschaftsgipfel auf den Weg.

An Differenzen vor allem in der Wirtschaftspolitik scheiterte 1982 die Koalition von SPD und FDP. Am 1. Oktober wurde Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum als Kanzler abgewählt. Sein Nachfolger wurde Helmut Kohl (CDU). Seit 1983 war Schmidt einer der Herausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit". In seinen fast 30 Buchveröffentlichungen seit 1961 sowie in zahllosen Artikeln und Vorträgen mischte er sich immer wieder auch mit unpopulären Meinungen in aktuelle Debatten ein.

Geboren wurde Helmut Schmidt am 23. Dezember 1918 in Hamburg-Barmbek als Sohn eines Studienrats. Nach dem Abitur 1937 wollte er eigentlich Architekt werden. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er an der Ost- und Westfront. Nach Kriegsende studierte er Volkswirtschaft. Seit 1946 war Schmidt SPD-Mitglied. Doch parteipolitische Aktivitäten waren nach dem Abgang aus Kanzleramt und Bundestag nicht mehr wirklich seine Sache. Auf Parteitagen erschien er nur sehr selten. Gleichwohl weiß Schmidt seine Sozialdemokraten immer wieder zu überraschen. So versetzte er sie gehörig in Aufregung, als er schon 2011 für den Hamburger Peer Steinbrück als Kanzlerkandidaten für die Wahl 2013 aussprach. 

Helmut Schmidt dachte gerne in großen weltgeschichtlichen Linien, referierte über Syrien oder Europa, um danach - wie 2013 bei einer Rede in Brandenburg - zu sagen: "Sie haben einem uralten Mann zugehört. Sie müssen ihn nicht unbedingt ernst nehmen."