Zwei türkische Soldaten wurden bei einem Anschlag auf einen Konvoi im kurdisch geprägten Südosten der Türkei getötet. Die türkischen Streitkräfte machten in einer Mitteilung am Sonntag die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für das Attentat in der Provinz Diyarbakir verantwortlich. Vier weitere Soldaten seien verletzt worden. Die PKK bekannte sich zunächst nicht zu der Tat. 

In der Nacht auf Sonntag kam es zu mehreren Vorfällen vor allem im Südosten der Türkei. In Cizre wurde bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK-Anhängern ein 23-Jähriger tödlich von einer Kugel getroffen, wie der Sender CNN Türk berichtete.

Die Türkei hatte am Samstag ihre Luftangriffe auf die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und auf Lager der PKK im Nordirak ausgeweitet. Die PKK warf der Türkei daraufhin vor, damit die seit 2013 weitgehend eingehaltene Waffenruhe gebrochen zu haben. Angesichts des schweren Bombardements sei der Waffenstillstand nicht mehr von Bedeutung, hieß es in einer Erklärung.

Antiterrorrazzien

Im Zuge der Erweiterung der Offensive Ankaras nahm die türkische Polizei bei sogenannten Antiterrorrazzien Hunderte Verdächtige fest. Der Iran und Deutschland kritisierten das Vorgehen Ankaras. Zuvor hatte es bereits heftige Kritik von Oppositionellen in der Türkei gegeben, die in den militärischen Aktionen vor allem ein Vorgehen gegen Kurden im Land sehen. Die Ausweitung des Konflikts löst nach Angaben der deutschen Regierung derzeit keinen NATO-Bündnisfall aus.

Die EU hat die Türkei ermahnt, den Friedensprozess mit den Kurden fortzuführen. "Jede Handlung sollte das Risiko vermeiden, die Waffenruhe und den kurdischen Friedensprozess zu gefährden", schrieb die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in einer am Samstagabend in Brüssel verbreiteten Erklärung. Zuvor hatte sie mit dem türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu telefoniert.

USA auf Seite der Türkei

Anders die USA: Sie stärken der Türkei den Rücken. Ankara habe das "Recht", gegen "terroristische Ziele" vorzugehen, sagte der Vize-Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, Ben Rhodes, am Sonntag in der kenianischen Hauptstadt Nairobi.

Rhodes erinnerte daran, dass auch die USA die PKK als "Terrororganisation" einstufen. Zugleich begrüßte Rhodes das "entschlossenere" Vorgehen der Türkei gegen den IS. Die Angriffe auf die IS-Stellungen markierten eine Kehrtwende in der bisherigen Politik Ankaras; die islamisch-konservative türkische Regierung war lange dafür kritisiert worden, zu wenig gegen den IS vorzugehen.

Todesopfer

Parallel zu den türkischen Luftangriffen beschossen Bodentruppen von der Türkei aus Stellungen der IS-Extremisten und der PKK in den Nachbarländern Syrien und Irak. Dem Büro von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu zufolge bombardierten die Kampfjets im Nordirak Ziele wie Unterstände und Waffenlager der im Land verbotenen PKK. Zu den genannten Orten gehören auch die Kandil-Berge, wo die kurdischen Kämpfer ihr Hauptquartier haben. Nach Angaben aus dem Irak wurden ein PKK-Anhänger getötet sowie drei Kämpfer und zwei Zivilisten verletzt. Kurdische Kämpfer gehen sowohl im Irak als auch in Syrien gegen die IS-Jihadisten vor.

Begleitet wurden die Luftangriffe von einer Festnahmewelle im Inland: Laut Davutoglu wurden seit Freitag landesweit 590 Verdächtige wegen Verbindungen zu "Terrororganisationen" festgenommen. Davutoglu betonte, die Regierung werde den Friedensprozess fortsetzen. "Wir wenden zugleich Stärke und Mitgefühl an", sagte er. "Aber diejenigen, die den Friedensprozess missbrauchen, werden niemals toleriert werden." Die PKK wird von der türkischen Regierung als "Terrororganisation" eingestuft. Der militärische Flügel der PKK, die kurdischen Volksverteidigungskräfte (HPG), hatten sich in dieser Woche zur Tötung zweier Polizisten in der Türkei bekannt. Sie erklärten, die beiden Polizisten seien dem IS nahe gestanden.

Schwere Belastungsprobe

Für den fragilen Friedensprozess Ankaras mit den Kurden stellen die Angriffe auf die PKK-Stellungen eine schwere Belastungsprobe dar. Die HPG erklärten auf ihrer Website, Ankara habe den Waffenstillstand "einseitig beendet". Angesichts der Bombardierungen habe der Waffenstillstand "keine Bedeutung mehr".

Am Samstag ging die türkische Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas in Ankara gegen rund 1.000 Demonstranten vor. Nach Angaben türkischer Medien lag die Zahl der Festnahmen in Ankara bei etwa 30. Die Demonstranten kritisierten die türkische Regierung für ihre jüngsten Luftwaffeneinsätze in Syrien und dem Irak und verurteilten den Anschlag in Suruc an der Grenze zu Syrien, bei dem am Montag 32 Menschen getötet und etwa hundert weitere verletzt wurden. Die Tat wird vor allem vonseiten Ankaras dem IS zugeschrieben. Ob die Jihadisten die Verantwortung für Attentat übernehmen, ist bisher nicht bekannt.

Friedensmarsch verboten

In Istanbul verboten die Behörden einen für Sonntag geplanten "Friedensmarsch" der Kurdenpartei HDP. Zur Begründung hieß es von Seiten der Stadtverwaltung, es müsse mit "starkem Verkehr" gerechnet werden, zudem seien die Sicherheit gefährdende "Provokationen" zu befürchten.

Der Iran kritisierte indes die Aktionen der Türkei: Nach den Worten von Außenamtssprecherin Marziyeh Afkham wäre eine gemeinsame Zusammenarbeit der regionalen Staaten im Kampf gegen den IS effektiver als ein Alleingang der Türkei. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen übte ebenfalls Kritik am Vorgehen der Türkei gegen die PKK. Es sei wichtig, dass Ankara "den eingeschlagenen Pfad der Versöhnung" mit der Arbeiterpartei Kurdistans nicht verlasse, sagte die CDU-Politikerin der "Bild am Sonntag".