Nach monatelanger Hängepartie kann Griechenland ab sofort mit seinen Geldgebern über neue Milliardenhilfen verhandeln. Die Euro-Finanzminister billigten am Freitag den Start neuer Gespräche. Zuvor hatten auch die Parlamente in Österreich und Deutschland nach hitzigen Debatten den Weg für neue Verhandlungen freigemacht.

Wenn ein drittes Hilfspaket in einigen Wochen ausgehandelt ist, müssen viele Parlamente der Euro-Staaten noch einmal über die Vereinbarungen abstimmen.

Das dritte Hilfspaket soll nach bisherigen Planungen bis zu 86 Milliarden Euro für drei Jahre umfassen. Im Gegenzug muss Athen harte Spar- und Reformauflagen erfüllen. Das Land ist mit 313 Milliarden verschuldet und steht kurz vor der Pleite.

EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis sagte, die Verhandlungen dürften "einige Wochen" dauern. Damit Griechenland nicht schon vorher in die Pleite rutscht, bekommt es einen Notkredit von 7,16 Milliarden Euro. Diese Brückenfinanzierung soll helfen, am Montag Schulden an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzuzahlen. 3,5 Milliarden Euro werden dann fällig.

Am Montag könnten auch die geschlossenen Banken wieder öffnen, wie Vize-Finanzminister Dimitris Mardas im Fernsehen sagte. Die meisten Kapitalverkehrskontrollen bleiben allerdings in Kraft. Momentan können die Griechen pro Tag höchstens 60 Euro abheben. Überweisungen ins Ausland sind nur mit Genehmigung möglich.

Hitziger Schlagabtausch

In der vorangehenden Parlaments-Debatte gingen die Emotionen hoch: Die rot-schwarze Koalition, allen voran Bundeskanzler Werner Faymann verteidigte den Griechenland-Deal als "ernsthafte Chance", er kritisierte aber Konstruktionsfehler der Währungsunion, die zur Krise beigetragen hätten. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zeigte sich "felsenfest davon überzeugt", dass Griechenland mit oder ohne Hilfsprogramm die Reformen angehen müsse, um wieder auf eine erfolgreiche Spur zu kommen. Während FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache erneut eine Volksabstimmung forderte, kritisierte Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig den Griechenland-Deal als "Grexit auf Zeit". Ein Bankrott Griechenlands wäre ein Desaster für die Bevölkerung, erklärte SP-Klubchef Schieder. Reinhold Lopatka (VP) verteidigte den deutschen Finanzminister Schäuble - die harten Auflagen für Griechenland seien notwendig. Waltraud Dietrich lehnte es für das Team Stronach erneut ab, weiteres Geld nach Griechenland zu schicken. Neos-Klubchef Mattias Strolz, der eine geordnete Insolvenz befürwortet, forderte ein humanitäres Rettungspaket.

Bei der Abstimmung in Berlin stimmten 439 Abgeordnete mit "Ja", 119 Parlamentarier mit "Nein".

Ein Verhandlungsmandat ist jedoch bei weitem nicht gleichbedeutend mit einer Freigabe von zusätzlichen finanziellen Mitteln aus dem Euro-Rettungsschirm ESM, hierfür wird ein weiteres "Okay" aus einigen nationalen Parlamenten benötigt.

Hier ein Überblick über die Erteilung der Verhandlungsermächtigungen in den Eurostaaten:

ÖSTERREICH: Der Nationalrat stimmt am Freitag in einer Sondersitzung über ein weiteres Verhandlungsmandat für Finanzminister Schelling ab - also ob Schelling an weiteren Gesprächen zur Griechenlandrettung teilnehmen kann. Die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP wollen ihm die benötigte Ermächtigung erteilen, die Oppositionsfraktionen werden aller Voraussicht nach dagegen stimmen. Die einfache Mehrheit, die im Nationalrat für einen Beschluss notwendig ist, sollte durch die Zustimmung der Regierungsparteien gesichert sein. Bereits am Donnerstag sprachen sich die Regierungspolitiker im ESM-Unterausschuss für weitere Gespräche aus.

DEUTSCHLAND: Auch der Deutsche Bundestag stimmt am Freitag über die Fortführung der Verhandlungen mit Griechenland ab. Die Sondersitzung in Berlin ist für 10.00 Uhr angesetzt. Die meisten Abgeordneten aus CDU, CSU und SPD dürften sich bei der Abstimmung für ein "Ja" entscheiden. Trotz interner Uneinigkeiten dürfte die Mehrheit der 631 Abgeordneten für weitere Verhandlungen votieren. Auch die Grünen haben angekündigt ihre Stimme für weitere Verhandlungen abzugeben. Die Linke dürfte voraussichtlich mehrheitlich mit "Nein" abstimmen.

FRANKREICH: Das französische Parlament gab bereits am Mittwoch grünes Licht für neue Gespräche - sowohl die Nationalversammlung als auch der Senat stimmten mit überwiegender Mehrheit mit "Oui". 412 der 530 anwesenden Abgeordneten der Nationalversammlung sprachen sich für und 69 gegen das Fortführen der Verhandlungen aus, 49 enthielten sich ihrer Stimme. Eine Zustimmung des französischen Parlaments für das Fortsetzen der Verhandlungen mit Griechenland war nicht nötig, die Debatte wurde jedoch auf Wunsch der sozialistischen Regierung angesetzt.

FINNLAND: Grünes Licht für weitere Verhandlungen gab es am Sonntag auch aus Helsinki. Anders als in anderen Euro-Staaten musste in Finnland lediglich der Große Ausschuss, in dem 25 der 200 Abgeordneten vertreten sind, neuen Gesprächen zustimmen. Außenminister Timo Soini klagte am Donnerstag über die Zustimmung des Ausschusses: "Das hier ist kein guter Tag, aber es hat lange keine guten Tage mehr gegeben", sagte der Rechtspopulist am Donnerstag in Helsinki. "Wir hatten die Wahl zwischen Cholera und Pocken." Vor allem die Rechtspopulisten in Finnland fordern einen härteren Umgang mit den Griechen.

GRIECHENLAND: Das griechische Parlament stimmte in der Nacht auf Samstag für das Fortführen der Verhandlungen mit den Geldgebern. In der Nacht auf Donnerstag wurden dann die von internationalen Gläubigern verlangten Spar- und Reformgesetze vom griechischen Parlament mit 229 zu 64 Stimmen abgesegnet. Aus der von Ministerpräsident Tsipras geführten Regierungspartei Syriza stimmten 110 der 148 anwesenden Abgeordneten für das Reformpaket. Zusammen mit der rechtspopulistischen Koalitionspartei ANEL kam Tsipras in der Abstimmung nur auf 123 Stimmen und verlor somit praktische seine Regierungsmehrheit.

RESTLICHE EURO-LÄNDER: In den Niederlanden debattierte das Parlament am Donnerstagnachmittag über den aktuellen Stand in Griechenland, jedoch ohne Votum. Auch in Lettland und der Slowakei ist ein Votum zwar möglich, jedoch nicht zwingend erforderlich. In Irland befasste sich am Mittwoch ein Ausschuss mit dem Thema, eine Abstimmung gab es laut einem Sprecher des Parlaments in Dublin allerdings nicht. In Estland entschied bereits ein Ausschuss für die Fortsetzung der Verhandlungen, eine benötigte parlamentarische Entscheidung ist jedoch noch ausstehend.

In Belgien, Italien, Litauen, Luxemburg, Portugal, Spanien, Zypern, Malta und Slowenien muss das Parlament keine Ermächtigung für weitere Verhandlungen aussprechen.