In der Hauptstadt Sarajevo erwiesen vor dem Staatspräsidium Tausende - darunter auch hohe Politiker - den Opfern die letzte Ehre.

Familienangehörige der neu identifizierten Opfer des Massakers schmückten bereits am Vormittag auf dem städtischen Friedhof von Visoko, 25 Kilometer nordwestlich von Sarajevo, mit Blumen den Lastwagen, mit denen die Leichen zu ihrer letzten Ruhestätte in Potocari bei Srebrenica überführt wurden. Es sei schwer, dem Abschied in Visoko beizuwohnen und sich der Ungerechtigkeit vom Mittwoch zu erinnern, meinte Fikret Begic, einer der in Visoko anwesenden Familienangehörigen im Hinblick auf das Scheitern des UNO-Sicherheitsrates am Mittwoch, eine Srebrenica-Resolution anzunehmen. Russland hatte ein Veto gegen die geplante Resolution eingelegt. Am Samstag wird in Potocari ein Bruder von Begic beigesetzt werden, sein Vater und ein anderer Bruder hatten dort vor Jahren bereits ihre letzte Ruhestätte gefunden.

"Heute, 20 Jahre nach dem Massaker, sind wir Zeugen eines modernen Verbrechens der Nichtanerkennung des Völkermords und der Nichtannahme der Srebrenica-Resolution in der UNO", meinte auch Amra Babic, die Bürgermeisterin von Visoko, beim Abschied der Opfer.

Unter den 136 Massakeropfern, die in Visoko im vergangenen Jahr identifiziert wurden, waren 18 bei ihrer Ermordung im Juli 1995 minderjährig, vier erst 16 Jahre alt. Das älteste Opfer, das heuer beigesetzt wird, war 75 Jahre alt.

In Potocari sind seit 2003 bereits 6.241 Massakeropfer beerdigt worden. Ihre Leichen wurden in 75 Massengräbern in Ostbosnien und verstreut an 150 anderen Stellen entdeckt. Nach vielen Opfern wird weiterhin gesucht. Die Zahl der Srebrenica-Opfer beläuft sich auf 8.372. Davon waren 530 minderjährig. Sie wurden nach der Einnahme der damaligen UNO-Schutzzone durch bosnisch-serbische Truppen am 11. Juli 1995 in der Umgebung der ostbosnischen Stadt brutal ermordet.

Der Gedenkfeier zum 20. Jahrestag des Völkermordes in Potocari werden am Samstag nach Angaben der Organisatoren mehr als 80 offizielle Delegationen beiwohnen, darunter die Präsidenten Sloweniens, Kroatiens und Montenegro sowie die Ministerpräsidenten Serbiens und der Türkei. Wien wird durch den Zweiten Präsidenten des Nationalrates Karlheinz Kopf (ÖVP) vertreten sein. Im Namen des Europaparlamentes wird der Gedenkfeier auch die grüne Abgeordnete Ulrike Lunacek beiwohnen.

Prominenter Gast ist außerdem der frühere US-Präsident Bill Clinton, dessen Kommen am Donnerstag bestätigt wurde. Clinton hatte im Jahre 2003 den Gedenkfriedhof in Potocari eröffnet. Mitglied der US-amerikanischen Delegation wird auch die frühere Außenministerin Madeleine Albright sein.

Fast 20 Jahre nach Kriegsende wird in Bosnien-Herzegowina weiterhin nach 8.000 Personen gesucht. 87 Prozent der weiterhin Vermissten waren Zivilisten, bestätigte der Leiter des bosnischen Vermissteninstitutes, Amor Masovic, am Mittwochabend zum ersten Mal gegenüber einem lokalen TV-Sender. Bosniaken (Muslime) stellen mit 84 Prozent den Großteil der Vermissten, auf Serben entfallen 11,3 Prozent, vier Prozent auf Kroaten, präzisierten er.